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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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grauenhafte Ironie des Schicksals?! Diese Hundsgemeinheit, die zwischen Sehnsucht und Wirklichkeit liegt?! Aber ich nehme den Handschuh auf, diesen widerlich sadistischen Fehdehandschuh des Todes: Ich kämpfe um diesen Mann, gerade um ihn, als wäre er ein Symbol unserer ärztlichen Arbeit!«
    Er hatte die blutende Arterie gefunden und abgebunden. Aus dem Loch, wo einst die Blase saß, rannen Blut und Urin. Dr. Heitmann biß die Lippen aufeinander. »Wie wollen Sie das schaffen, Pahlberg?! Das ist doch Irrsinn! Ein Anrennen gegen Mauern, die stärker sind als wir. Draußen liegen siebzig andere Fälle, und Sie halten sich hier auf mit einem vollkommen hoffnungslosen Fall! Auch die Kerle, die draußen liegen und warten, haben Frauen, Kinder, Mütter, Bräute, die beim letzten Urlaub so glücklich waren wie diese Lotti. Geben Sie dem Mann Morphium und legen Sie ihn weg!«
    Dr. Heitmann sah zur Seite. Krankowski verband einen Verwundeten und drehte ihm den Rücken zu. Humpmeier und Drage halfen auf seiner Station … er griff in die Hosentasche, legte zwei kleine, weiße Pillen auf die Handfläche und schob sie in den Mund. Schnell, gierig, mit zitternden Händen und Lippen. – Dr. Pahlberg schüttelte den Kopf. »Heitmann – schon wieder Pervitin! Sie begehen Selbstmord!«
    »Verdammt noch mal!« Dr. Heitmann drehte sich um und verließ den Unterstand. »Lieber durch Pervitin sterben als so wie Ihr Mann da auf dem Tisch …«
    Dr. Pahlberg operierte weiter. Er tastete den Harnleiter ab und durchschnitt ihn 3 Zentimeter oberhalb der zerrissenen Stelle. Dann verband er ihn mit einem langen Gummiröhrchen und führte diesen Schlauch seitlich an der Bauchwand heraus. So konnte vorerst der Urin aus der Niere ablaufen, ohne daß er die riesigen Wunden beschmutzte und sich in die Bauchhöhle ergoß. Verbissen kämpfte Pahlberg gegen den Tod. Er dachte nicht daran, daß der Verwundete mit Sicherheit eine Peritonitis bekommen würde, trotz Sulfonamide. Er dachte nicht daran, daß ihm nicht die Möglichkeit gegeben war, den ganzen Unterbauch chirurgisch so völlig rein auszuräumen, wie er es in einer Klinik tun konnte … es fehlten ihm die Sauger, die Kompressen, die herzstärkenden Mittel für eine Durchstehung einer solchen Operation, die Blutkonserven oder frisches Spenderblut. Ein wenig Novocain besaß er … aber auch wenn der Patient ein Delirium cordis bekam, bei dem man Novocain direkt in das Herz appliziert, damit die Funktion des Herzmuskels wieder in Gang kommt und die Blutzirkulation aufrechterhalten wird … was nutzt ihm das Novocain? Konnte er die Brust öffnen zur Herzmassage und Herzwaschung? Besaß er hier zwischen Sandsäcken einen Überdruckapparat?! Nichts besaß er, außer ein paar Ampullen Adrenalin … man konnte es mit einer langen Nadel durch das Zwerchfell direkt in die Herzkammer injizieren … ein paar ccm Strophantin, die letzten Tetanus, Morphium, Äther, Jod und Rizinus! Ist das genug, um ein Menschenleben zu retten?!
    Für Dr. Pahlberg war es genug. Er stand an der unsichtbaren Front zwischen Arzt und Tod. Er kämpfte um diesen Mann mit seiner Frau Lotti und seinen beiden kleinen Mädchen, zu denen jetzt ein Junge kommen sollte. Ein Junge, so tapfer, so groß, so lieb wie Pappi …
    Krankowski, der ab und zu die Atmung und den Puls kontrollierte, hob die Schultern. »Puls kaum tastbar, Herr Stabsarzt.«
    »Ich weiß es.«
    Pahlberg tupfte die Bauchhöhle aus. Er überlegte, wie er die große Höhle im Unterleib schließen konnte. Eine Plastik machen war Wahnsinn. Die Wundränder einfach zusammenzuziehen und mit einem Drain vernähen? Später, wenn der Unglückliche die Operation überlebte, konnte man dann eine Plastik machen, in aller Ruhe, mit aller ärztlichen Kunst in einer gut eingespielten großen Klinik. Wenn er es überlebte …
    Die zweite Welle des Luftangriffs rollte über den Monte Cassino. Die Erde schwankte. Einige Sandsäcke der Wandabstützung klatschten auf den Boden. Ein Verletzter schrie grauenvoll auf. Einer der Sandsäcke war auf seinen zerschossenen Arm gefallen und hatte den Schußbruch abgequetscht. Krankowski zog den Schreienden und Umsichschlagenden unter dem Sack hervor und schleifte ihn vor den Unterstand. Dort wurde er zu Dr. Heitmann weitergebracht, während Krankowski die heruntergestürzten Säcke wieder gegen die bröckelnde Wand stapelte.
    Dr. Pahlberg sah in das gelbweiße Gesicht des Mannes vor sich. Ein Gesicht, über das bereits die Hand des Todes glitt,

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