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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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brauchen Geld, damit wir richtige Milch kaufen können. Du hast gehört, was der Arzt gesagt hat. Wir müssen dafür sorgen, dass Pascha zu Kräften kommt.«
    Sergej sah mich an. »Ich tue ja mein Bestes. Ich suche mir Arbeit, wenn ich kann.«
    »Aber wir müssen noch mehr tun. Wir brauchen bloß zwei oder drei Dollar am Tag für Lebensmittel, und wenn du keine Arbeit findest, finde ich ja vielleicht welche.«
    Sergej riss die Augen auf. »Und ich?«, fragte er. »Soll ich mich etwa um die Kinder kümmern, während du arbeitest?«
    »Ja. Eine andere Wahl haben wir nicht.«
    »Also, du müsstest ja nicht arbeiten, wenn wir Pascha einfach ins Waisenhaus geben.«
    Die Wut wurde zu einem harten Klumpen in meinem Bauch. Pascha, Pascha, Pascha ... Sergej wollte alle Schuld auf ihn schieben.
    »Wieso verstehst du das denn nicht?«, fauchte ich. »Wir brauchen bloß was zu essen, und du beschaffst es uns nicht. Was für ein Vater bist du überhaupt? Sieh uns doch an. Wir sind mager, krank.«
    »Aber ich denke doch die ganze Zeit an dich, Oxana.«
    Plötzlich vergaß ich alles, was Sergej in der Vergangenheit in mich reingeprügelt hatte. Ich legte Pascha in sein Körbchen, stand auf und sah Sergej direkt in die Augen. »Was?«, schrie ich. »Wann denkst du denn mal an irgendwen außer an dich selbst? Du gibst Geld für Wodka aus, und deine eigenen Kinder haben nichts zu essen. Du kannst doch nichts als trinken und stehlen. Du wirst dich nie ändern. Du bist kein Mann, du kannst ja nicht mal für uns sorgen!«
    Sergejs Augen funkelten, aber das war mir egal. Wie eine Welle durchströmte mich die Wut. Ich konnte mich nicht ordentlich um meine Kinder kümmern, Pascha war krank, wirhatten ständig Hunger, und ich wurde von den Leuten genau wie Sergej als Dieb verabscheut, weil ich seine Frau war. Sein Verbrechen war mein Verbrechen.
    »Du bist doch eine Witzfigur«, lachte ich. »Du kannst nichts weiter als Frauen schlagen, weil du dich an Männer nicht rantraust. Du bist jämmerlich.«
    Seine Hand landete auf meiner Wange. »Du verdammtes Miststück!«, rief er.
    »Ja, komm, schlag mich!«, schrie ich zurück. »Einen Mann kannst du nicht schlagen, was? Na komm schon. Tu es doch. Ich bin deine Frau, oder? Dafür bin ich ja da.« Die Worte strömten mir unablässig aus dem Mund. »Na komm schon!«, schrie ich, während mir die Tränen die Wangen hinunterrannen. »Tu es doch. Sei ein Mann. Zeig mir, was du kannst.«
    Sascha fing an zu weinen und versteckte sich unterm Tisch. Ich sah seinen ängstlichen Blick, als er zu uns hochschaute, und teils wünschte ich, es würde alles aufhören, damit ich ihn in die Arme nehmen und ihn trösten konnte. Aber dazu war es zu spät: Sergej und ich hatten uns so in unsere Rage und unseren Frust verbissen. Wir waren unglücklich in unserem Leben, und für all das Elend konnten wir uns nur gegenseitig die Schuld geben.
    »Du bist doch bloß ein Jammerlappen«, stieß ich hervor.
    Plötzlich griff Sergej nach mir und packte mich bei den Haaren. »Ich reiß dir die Kopfhaut runter!«, rief er. »Wirst schon sehen.«
    »Versuchʼs doch!«, kreischte ich. »Du wirst ein Messer brauchen. Du willst mit dem Messer auf mich los?« Wir starrten uns an, während meine Herausforderung in der Luft hing. Ich hatte keine Angst vor ihm. Ich war die blauen Flecken und die aufgeplatzten Lippen so leid.
    »Na komm schon«, spie ich aus. »Tu es doch.«
    Sergej zog seinen Gürtel aus – einen Armeegürtel aus dickem Leder mit einer großen Schnalle, die er liebte –, und dabei stieß er mich in den Flur, rollte den Gürtel zusammen und hob ihn in die Luft.
    »Nein!«, schrie ich und versuchte, ihm den Gürtel wegzunehmen, trat nach ihm, zielte auf seine Leiste. Irgendwie bekam ich den Gürtel zu fassen und schlug ihn damit, ehe ich zur Vordertür hinauslief auf den Hof, wo ich mir ein Stück Holz schnappte.
    »Ich bringe dich um!«, rief Sergej und kam mir hinterhergelaufen, und ich sah etwas Silbernes im Dunkeln aufleuchten.
    Die Angst packte mich. Das da in seiner Hand war ein Fleischmesser. Sein Blick war leblos. Ich musste fort. Aber Sergej packte mich bei den Haaren und schleifte mich zur Sommerküche zurück. Was hatte ich getan? Hatte ich ihn diesmal zu weit getrieben? Er zog mich in den Flur, und ich konnte mich für einen kurzen Augenblick freikämpfen. Plötzlich spürte ich einen schneidenden Schmerz im Rücken und sah das Messer neben mir durch die Luft segeln. Es landete auf dem Boden; dunkle

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