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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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ich ihn erreichen sollte. Er schrie und schrie, aber selbst wenn es mir gelang, ihn zu beruhigen, ging Sergej trotzdem auf mich los und prügelte, peitschte und schlug mich.
    Eines Morgens ganz früh schrie Pascha besonders laut. Sergej lag im Bett, hatte den Kopf unter das Kissen gesteckt und versuchte zu schlafen, während ich mein Möglichstes tat, um das Baby zu beruhigen. Sascha schlief tief und fest, er war der Einzige von uns, der den Lärm ausblenden konnte.
    »Er soll aufhören!«, brüllte Sergej, als ich rauslief, um etwas zu essen zu machen, in der Hoffnung, dass Pascha das beruhigen würde. »Weiß der Himmel, wie die anderen diesen Lärm ertragen können! Der weckt noch das ganze Haus auf!«
    Die Schlafzimmertür war offen, und als ich am Herd stand, sah ich, wie Sergej aufstand und auf das Baby zuging. Er hob die Hand, schlug ihn, und ich sah, wie Paschas Kopf gegen die Wand knallte.
    »Nein, nein!«, rief ich und rannte zurück zu meinem Baby. Für den Moment war Pascha ruhig, und vor Schock und Schmerz war sein kleines Gesichtchen leichenblass. Mir war ganz übel, als ich ihn hochhob und an mich drückte. »Lass ihn in Ruhe!«, rief ich. »Er ist doch noch ein Baby.«
    Sergej grunzte und zuckte mit den Schultern, dann drehte er sich um, während ich Pascha wiegte und ihn mit in die Küche nahm. Ich fütterte ihn und weinte dabei lautlos. Kein Kind sollte so behandelt werden, aber wie sollte ich meinen Sohn schützen, wenn ich nicht einmal mich selber schützen konnte?
    Kaum hatte Sergej am Abend das Haus verlassen, nahm ich die Kinder und dazu ein paar von unseren Sachen und ging mit ihnen zum Wartesaal des Bahnhofs von Simferopol. Mir war kein anderer Ort eingefallen, an dem wir es warm hatten, und ich nahm mir vor, dort die Nacht zu verbringen und dabei über alles Weitere nachzudenken. Mit Sicherheit wusste ich nur das eine: Es war zu gefährlich für uns, noch länger in Sergejs Nähe auszuharren. Wir blieben auch die Nacht darauf und noch eine weitere Nacht – tagsüber verließen wir den Bahnhof und gingen ein paar Stunden im Park spazieren, ehe wir in die Wärme des Wartesaals zurückkehrten –, weil ich nicht wusste, was wir sonst tun sollten. Es gab keine Zufluchtsmöglichkeiten für Frauen in der Ukraine, kein mietfreies Wohnen für Menschen in Not, und so dachte ich beinahe an nichts mehr, während die Tage vergingen. Wir mussten einfach überleben.
    Ich redete mir ein, wir hätten es besser als die Leute, die auf der Straße lebten. Wenigstens konnten wir im Warmen schlafen – Pascha in seinem Kinderwagen und Sascha auf einer Bank –, und es gab einen Toilettenraum, in dem ich Windeln auswaschen konnte, ehe ich sie über dem Kinderwagen zum Trocknen aufhängte. Wir konnten sogar in die Kantine gehen, in der Bahnhofsangestellte mir Brotreste gaben oder Milchfläschchen warm machten, die ich mitgenommen hatte. Aber bald fing Sascha an zu husten, und Pascha bekam Durchfall.
    An unserem vierten Abend im Wartesaal kam Ira hereingestürmt. »Ich habe gehört, dass du hier bist! Was machst duhier eigentlich? Die Kinder holen sich noch den Tod! Komm sofort nach Hause.«
    Entsetzt starrte ich sie an. »Ich kann nicht nach Hause! Du weißt ganz genau, was Sergej mit mir machen wird. Du weißt doch, wie er mich behandelt.«
    Voller Mitleid sah sie mich an. »Ja, ich weiß. Er ist ein Mistkerl, Entschuldigungen habe ich keine für ihn. Aber das wollte ich dir ja erzählen: Sergej ist nicht mehr da. Er ist verhaftet worden!«
    »Verhaftet? Weswegen?« Allmählich war ich schon überzeugt gewesen, dass Sergej für seine zahllosen Verbrechen und Diebstähle nie bestraft werden würde.
    »Komm nach Hause. Ich erzähle dir alles.«
     
    Ich war froh, wieder zu Hause im Warmen zu sein; die Kinder lagen sicher im Bett, und Ira schenkte mir eine Tasse heißen Tee ein und gab mir etwas Suppe.
    »Sergej ist verhaftet worden, und sie behalten ihn in Haft«, erzählte mir Ira, während ich aß. »Vor ein paar Tagen wurde ein Mann überfallen und ausgeraubt, und er ist an den Folgen des Überfalls gestorben. Die von der Polizei denken, dass Sergej das war.«
    »Das glaube ich nicht«, antwortete ich. »Er ist bösartig, aber er ist auch ein Feigling. Der schlägt nur Frauen.«
    »Ich weiß.« Ira sah traurig aus. »Ich bin nur froh, dass unsere Mutter nicht mehr hier ist und miterlebt, wie er sich entwickelt hat. Aber du weißt ja, wie er in letzter Zeit war ...«
    »Die Drogen.« Ich nickte.
    »Es wird

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