Sie haben mich verkauft
den Mund auf die Lippen, als ichschrie. Bilder von dem Strand kamen mir in den Sinn, und ich empfand dieselbe blanke Angst wie damals.
»Bitte, bitte, lasst mich gehen«, bettelte ich und fing an zu weinen. »Ich will ja alles tun.«
Doch die Männer hörten mir gar nicht zu, sie banden mir die Hände über dem Kopf zusammen, und dann brachten sie mich irgendwie zum Schweigen. Die Seele kann nur eine begrenzte Menge Leid ertragen, bevor sie erfriert und sich in nichts auflöst, und genauso ging es mir in der Nacht. Ich wurde völlig gefühllos, während sich die Männer ihren Weg in die entlegensten Winkel meines Körpers bahnten und ich zu Stein wurde.
Sie lachten und rauchten, als sie fertig waren, und ich zog mich an, ehe ich aus dem Haus in die Dunkelheit stolperte.
Sergej saß draußen und wartete auf mich.
»Ich muss mit dir reden«, flüsterte ich. Ich musste ihm erzählen, was passiert war, sonst würden die Männer reden, und er würde womöglich denken, ich hätte sie gewollt. Dann würde er mich umbringen. Tränen rannen mir über das Gesicht, als wir uns auf den Weg machten.
»Was ist los?«, fragte er.
»Deine Freunde ...«
»Ja?«
»Ich bin vergewaltigt worden.«
Sergej blieb stehen. »Ach, wirklich?«, fragte er gedehnt.
»Ja. Sie haben mich gezwungen. Ich konnte mich nicht wehren!«
Er sah mich an. »Ich weiß, was passiert ist. Die Männer sind meine Freunde. Keiner hat dich vergewaltigt, also wieso lügst du?«
Ich empfand nur Bestürzung. »Aber ich lüge nicht!«, rief ich. »Die haben mich vergewaltigt, als du weg warst.«
»Ich war die ganze Zeit draußen, Oxana.«
»Na, dann musst du doch gehört haben, wie ich geschrien habe.«
»Ich habe nichts gehört«, sagte Sergej; seine Stimme war wie Eis mit dem Anflug eines Lächelns darin.
Auf einmal war da nur Kälte in meinem Körper. Er hatte gewusst, was die mit mir anstellten, und hatte nichts getan, als er meine Schreie hörte.
»Hast du etwa gedacht, ich lasse es dir durchgehen, dass du deine Drecksliebhaber die Drecksarbeit erledigen lässt?«, erwiderte Sergej leise. »Hast du etwa gedacht, ich vergesse einfach, was deine Moslem-Stecher mir angetan haben?«
Ich drehte mich weg. »Ich gehe«, schluchzte ich. »Zu Mama, zur Polizei, ganz egal, und wenn ich auf der Straße leben muss.«
»Bist du sicher?«, rief Sergej. »Deine Mutter nimmt dich nicht auf, und ich habe jede Menge Freunde, die dich ficken möchten, und das wollen die unbedingt. Deshalb finden die dich, egal, wo du hinläufst. Außerdem, was willst du der Polizei erzählen? Die glauben dir doch kein Wort. Alle Welt weiß, dass du eine Hure bist.«
In meinem Kopf drehte sich alles, wie wir da so in der Dunkelheit standen. Er hatte recht. Wer würde mir schon glauben? Welcher Mann würde es zulassen, dass seine eigene Frau vergewaltigt wurde? Sogar Ira, die wusste, dass ihr Bruder ein Gewohnheitsdieb war, würde nicht glauben, dass er so tief gesunken war.
Ich hatte zwei kleine Kinder, das dritte war unterwegs. Es gab keine Möglichkeit, von ihm loszukommen. Ich konnte nur hoffen, dass sein Rachedurst gestillt war und er mich jetzt in Ruhe ließ.
»Na komm schon«, sagte Sergej leise.
Ich drehte mich um und folgte ihm nach Hause.Es war dumm von mir gewesen zu glauben, dass Sergej vergessen konnte, was die Männer von Aziz getan hatten. Diesen Fehler würde ich nicht wieder machen, also beobachtete ich Sergej und wartete ab, was er als Nächstes vorhatte. Ich provozierte ihn nicht, auch wenn er betrunken nach Hause kam und mich aus dem Bett stieß oder mich schlug, ohne ein Wort zu sagen – er war nur darauf aus, mich wieder zu verletzen, und ich wusste es. Es war, als könne er meinen Anblick nicht länger ertragen, und ich spürte, wie meine Unverzagtheit angesichts seines Hasses zu schwinden begann. Irgendwie musste ich doch wohl verdient haben, was mir passierte. Sergej hatte recht. Ich war nichts wert.
Inzwischen löste sich sein Leben auf. Sergej war jetzt ernsthaft drogenabhängig, und eines Abends sah ich ihn in der Küche mit einem Freund. Er saß am Tisch, schnürte sich den Arm ab und machte eine Faust, während sein Freund ihm eine Spritze setzte. Ich beobachtete ihn von der Tür her, als er sich im Dämmerlicht hinlegte, auf dem Gesicht ein Ausdruck seligen Vergessens.
So entfloh er also dieser erbärmlichen Existenz, und so verurteilte er seine Familie zu Hunger und Armut.
Inzwischen schlug mich Sergej regelmäßig, ganz gleich, wie ruhig und
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