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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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gefügig ich war. Er wachte schwitzend und zitternd auf und schlug mich, oder ich hatte ihm seine Grütze zu heiß serviert, und er schlug mich. Wir stritten viel über Lebensmittel, weil er oft alles allein aufaß und den Kindern und mir nichts übrig ließ.
    Nach und nach zerbrach ich innerlich und fürchtete mich bald vor meinem eigenen Schatten. Ich glaubte Sergej, wenn er mir zubrüllte, wie hässlich, dumm und nutzlos ich sei. Wieso hätte mein Leben wohl sonst diese Wendung genommen?
    »Du kannst doch bloß schwanger werden, und jetzt bist du schon wieder dick wie eine Kuh und erwartest noch ein Kind!«, rief er oft. »Du bist zu gar nichts gut.«
    Das Leben wurde so leidvoll, dass ich mich in einen Automaten verwandelte und meine Gedanken und Gefühle abschaltete. Aufwachen, essen, waschen, putzen, kochen, stillen, baden ... In meinem Leben gab es nur noch diese geistlosen Dinge, und ich wollte nichts fühlen und nichts sehen, und ich sagte mir wieder und wieder, dass alles, was passierte, ja nur ein Film sei.
    »Es wird ein Happy End geben«, flüsterte ich in mich hinein, wenn ich am Brunnen Wasser holte, um Saschas Kleidung zu waschen. »Das hier ist nicht wirklich, es ist reine Einbildung, und Papa passt auf dich auf.«
    Nach einem schlimmen Streit nahm Sergej eine Wäscheleine und band mir Hände und Füße nach hinten zusammen, und so ließ er mich stundenlang auf dem Boden liegen. Er boxte und würgte mich und prügelte auf mich ein; ihm war ganz egal, was er tat, und beinahe schien es, als sei es auch mir egal. Das hier war meine Strafe.
    »Du bist wie ein Hund«, sagte ich mir. »So ein Hund will fressen, und wenn ihn keiner füttert, wird er mager und hilflos. Du bist genauso wie solch ein Hund, und Sergej ist dein Herr.«
    Ich hatte zwei Möglichkeiten: entweder meinem Leben ein Ende machen und meine Kinder im Stich lassen oder dieses Leben beenden und ein neues beginnen. Ich musste nur daran glauben, dass der Schmerz aufhören würde, und meine Kinder lieben, während ich darauf wartete. Die Kinder waren das einzig Gute in meinem Leben – das Einzige, das mein zu Eis gefrorenes Herz erwärmen konnte –, und wenn Sascha nachts neben mir lag und schlief, strich ich mit den Händen über meinen gewölbten Bauch. Leise flüsternd sprach ich zu dem Kind in meinem Bauch, sagte ihm, dass wir eines Tages alle zusammen glücklich sein würden.

KAPITEL 8
    P ascha sah aus wie neugeboren, als er im Dezember 1994 wieder nach Hause kam. Ich hatte ihn schließlich doch besucht, kurz bevor seine Zeit im Waisenhaus um war, und ich schämte mich, als ich sah, wie sehr er sich verändert hatte – früher war er dünn und kränklich gewesen, jetzt war er rund und gesund. Gleich nach seiner Leistenbruchoperation hatte er angefangen, normal zu essen, und ich freute mich darüber, dass er sitzen, den Kopf hochhalten, lachen und meine Finger packen konnte wie jedes normale elf Monate alte Baby. Da er nun nicht mehr krank war, brauchte ich keine Schuldgefühle zu haben, und ich hoffte, ich könnte ihn lieben, wie ich das gewollt hatte, so wie eine richtige Mutter.
    Sergej beachtete ihn gar nicht, als er nach Hause kam, und mir war das egal. Doch kaum kam Pascha durch unsere Tür, war es, als habe jemand das Licht in ihm ausgeknipst, und er schrie stundenlang. Tag für Tag hielt sein Geschrei an; es hatte den Anschein, als wolle es nie mehr aufhören. Ich war verzweifelt – wieso konnte ich meinem Sohn keine richtige Mutter sein und ihn glücklich machen? Hätte ich ihn im Waisenhaus lassen sollen, wo er sich gut entwickelt hatte und gesund geworden war?
    Paschas Kummer schien den ganzen Raum zu füllen, in dem wir wohnten. Ich war im sechsten Monat schwanger und hatte keine Ahnung, wie ich zurechtkommen sollte. Ira und Alex waren voller Mitgefühl, aber auch für sie war es schwer, mit Paschas ständigem Geschrei zu leben. Aber wenigstenskonnten sie in ihr Zimmer gehen und die Tür hinter sich zumachen.
    Der Lärm machte Sergej wahnsinnig.
    »Sorg dafür, dass das verdammte Baby ruhig ist!«, schrie er oft, dann boxte er mich, und ich wusste, es würde nur noch schlimmer werden, wenn ich Pascha nicht beruhigen konnte. Aber was ich auch tat, es schien mir nicht zu gelingen. Pascha war ganz anders als Sascha, als der noch so klein gewesen war. Mein Ältester hatte gegluckst vor Lachen, wenn ich mit ihm sprach, und gejauchzt, wenn wir spielten, aber Pascha schien in einer anderen Welt zu leben, und ich wusste nicht, wie

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