Sie haben mich verkauft
halten, hatte ich zu große Angst davor, ins Waisenhaus zu gehen. Das schlechte Gewissen nagte an mir, schließlich hatte ich ihn einfach dort gelassen, und ich fürchtete mich vor dem, was er dort womöglich durchmachte. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, dass man seinen winzigen Körper operierte, und voller Entsetzen dachte ich daran, wie er mich wohl ansehen mochte, wenn ich ihn besuchte. Ich war also feige und ging ihn, trotz meiner Sehnsucht, nicht besuchen.
Da geht es ihm besser, sagte ich mir entschieden. Er kommt wieder nach Hause, wenn seine sechs Monate im Waisenhaus um sind, und dann werde ich ihm eine bessere Mutter sein.
Kaum war Pascha fort, stellte ich fest, dass ich wieder schwanger war. Meinem Mann konnte ich mich nicht verweigern, und Geld für empfängnisverhütende Mittel hatte ich nicht. Aber obwohl ich mir Sorgen machte, weil ich nun einen weiteren Mund zu stopfen hatte, war ich froh. Ich wusste einfach, dass diesmal alles anders werden würde: Ich wäre einegute Mutter, und dieses Baby wäre unkompliziert und gesund, wo Pascha krank und unglücklich war. Ich würde beweisen, dass ich eine gute Mutter war, und wenn Pascha nach Hause kam, hätte er ein neues Geschwisterchen, das er lieb haben konnte.
Sergej sagte nicht viel, als ich es ihm erzählte, aber das war mir egal, solange er mich in Ruhe ließ. Ich hatte getan, was er wollte – ich hatte Pascha ins Waisenhaus gegeben und aufgehört zu arbeiten –, und deshalb schien er inzwischen zufriedener. Ich konnte nur beten, dass das auch so bleiben würde.
Doch diesmal sollte Gott meine Gebete nicht erhören.
KAPITEL 7
E in paar Monate darauf bat mich Sergej eines Abends, mit ihm auszugehen. Ich konnte nicht gut nein sagen, und es wurde schon dunkel, als wir eine unbefestigte Straße entlanggingen, bis wir zu einem Steinhaus mit einer schweren Metalltür kamen.
Wir gingen hinein und traten in einen schmutzigen Raum, in dem ein altes Sofa und ein Bett standen. In dem Dämmerlicht sah ich vier Männer und zwei Mädchen, die Musik hörten. Sie schienen alle betrunken zu sein.
Sergej fing sofort an, sich mit den anderen zu unterhalten, aber ich sagte kein Wort, als ich mich setzte. Die Mädchen sahen aus, als würden sie gleich in Ohnmacht fallen, und bald zog einer der Männer die beiden hoch.
»Wir gehen«, sagte er und verschwand.
Wenig später stand auch Sergej auf.
»Ich habe was zu erledigen«, sagte er zu mir. »Es wird nicht lange dauern.«
Jetzt war ich allein mit zwei Männern – einer hatte dunkles Haar und war groß und schlank, während der andere kleiner und etwas dicker war.
»Na, wie gehtʼs dir denn so?«, fragte der Dunkle. »Willst du was trinken?«
»Nein, danke«, antwortete ich. »Ich muss auch bald wieder los.«
Er kam zum Sofa und setzte sich neben mich. »Na, komm schon, einen Kleinen«, sagte er in einer Art Singsang.
»Nein, danke«, erwiderte ich, und ich spürte, wie er mir den Arm um die Schultern legte. Ich stieß ihn weg.
»Nur eine kleine Umarmung, in aller Freundschaft«, lachte er, stand auf und ging zu dem Tisch rüber, wo er sich wieder setzte und anfing, Cannabis zu einer Zigarette zu rollen. Ich wusste, was das war, weil Sergej das Zeug manchmal rauchte. Der Geruch war furchtbar.
Ängstlich sah ich mich um. Wo war Sergej? Er war schon so lange weg, betrank sich wahrscheinlich irgendwo. Ich hatte genug. Ich wollte weg.
Der Dicke erhob sich, als ich aufstand. »Wo willst du hin?«, schrie er.
»Nach Hause.«
»Nein, nein. Geh nicht.«
Der Dunkle stand auf und kam auf mich zu. »Nein, geh nicht«, sagte er. »Wir fangen doch gerade erst an.«
»Aber ich muss los«, erwiderte ich und drehte mich weg. Plötzlich legte sich mir von hinten ein Arm um den Hals. »Lass los!«, rief ich.
»Nein«, sagte eine Stimme. »Zuerst wollen wir ein bisschen Spaß mit dir haben. Nur keine Sorge. Dir wird es auch gefallen.«
Sofort war mir klar, was er wollte. Das durfte doch nicht sein – nicht mit dem Baby, das ich in mir trug. »Nein!«, schrie ich und versuchte, mich loszureißen. »Sergej bringt euch um. Gleich kommt er wieder zurück.«
»Nein, das wird er nicht«, sagte der Mann hinter mir lachend. »Der ist im Moment sehr beschäftigt.«
Ich wehrte mich, als sich der Arm enger um meinen Hals schloss, so eng, dass ich kaum atmen konnte. Panik stieg in mir auf, als ich zum Bett gezerrt und daraufgestoßen wurde, ehe der Dunkle auf mich kletterte. Er packte mich bei den Haaren und drückte mir
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