Sie haben mich verkauft
Selbstachtung hatten, verabscheute sie dafür, dass sie sich so darboten. Und ich verabscheute die Männer, weil sie die Mädchen anstarrten.
Inzwischen denke ich nur noch, dass sie damals zu jung und zu dumm waren, um zu begreifen, was da mit ihnen passierte, und dass sie eben deshalb all die Verheißungen auf ein besseres Leben für bare Münze nahmen. Diese Mädchen, davon war ich überzeugt, hatten ein schweres Leben gehabt; sie waren in Waisenhäusern aufgewachsen, hatten getrunken, auf der Straße genächtigt, und mit einem Mann mitzugehen bedeutetefür sie Schuhe und Essen. Es ging ums Überleben. Sie hatten keine Ahnung, was sie tatsächlich erwartete.
Denk an Sascha, Pascha und Luda, sagte ich mir immer wieder. Du musst stark sein. Was auch passiert, du darfst nicht aufgeben, unter keinen Umständen. Bald bist du wieder bei ihnen zu Hause.
KAPITEL 14
F rüh am nächsten Morgen kam Sweta zu mir.
»Kannst du mir einen türkischen Mokka machen?«, fragte sie. »Mach dir auch gleich einen mit, und setz dich zu mir.«
Fünf Minuten später brachte ich zwei Tassen dicken, schwarzen Kaffee zu Sweta, die mich mit ihren harten Augen ansah.
»Du musst dich daran gewöhnen, weißt du«, sagte sie. »Es werden deinetwegen Männer kommen, und du musst ihnen deinen Körper präsentieren. Gestern Abend warst du schlecht. Du musst lächeln, guten Tag sagen, ein bisschen mit ihnen spielen, wie die anderen das machen.«
»Aber das kann ich nicht«, antwortete ich gedehnt. »Ich mach das nicht.«
»Na ja, wie du willst«, sagte Sweta lässig. »Du kannst bei mir wohnen bleiben, so lange du magst, aber es wird kein angenehmes Leben sein. Du wirst in ein Zimmer gesperrt und kommst nie raus. Du solltest mir helfen. Ich muss dich schnell verkaufen. Die Männer gestern hielten dich für dick.«
Ich sah sie an. Es stimmte, nach drei Schwangerschaften war ich dicker als die Teenager.
»Du musst Diät halten«, fuhr Sweta fort. »Zum Frühstück bekommst du eine Tasse Kaffee, Salat zu Mittag und abends einen Apfel.«
»Aber wie die anderen Mädchen werde ich nie aussehen«, erwiderte ich. »Ich habe Kinder bekommen.«
»Na ja, jedenfalls bist du zu dick. Weißt du, du hast keine andere Wahl. Tu einfach, was ich dir sage.«
Nach und nach begriff ich, dass dies kein böser Traum war, aus dem ich erwachen würde. Marianna würde nicht kommen und lachen und mir erzählen, dass alles nur ein Scherz gewesen sei. Dies war die Wirklichkeit. Allmählich entglitt mir die Zeit, als in diesem erbärmlichen Schlafzimmer Stunde auf Stunde folgte.
Dann kamen die Männer wieder und musterten uns – manchmal waren sie zu zweit, manchmal zu viert. Ich hatte keine Ahnung, woher sie kamen.
»Hm, weich wie Kissen«, sagten sie, wenn sie mir an die Brüste und Hinterbacken packten und meine Haut befingerten. Ich war kein Mensch für sie, das spürte ich deutlich.
»Aber kannst du auch lächeln?«, fragte einer und starrte mir ins Gesicht.
»Ja«, antwortete ich – und zwang mich dazu, die Mundwinkel zu heben.
»Du siehst aus, als wolltest du mich umbringen«, sagte er lachend und drehte sich weg.
Er hatte recht. Ich verabscheute sie alle. Ein ums andere Mal stand ich vor diesen Männern und wünschte, ich könnte sie so umbringen, wie sie mich umbrachten. Unglücklich war ich nicht, wenn die Männer mich musterten – einfach nur wütend. Es war, als wolle mein Verstand mein Gefühl nicht spüren lassen, was wirklich mit mir passierte.
»Sie ist dick, aber sie hat eine hübsche Figur und schöne Augen«, sagte Sweta immer, wenn sie mich begutachteten. »Sie wird vielen Männern gefallen.«
Es war klar, dass sie mich auf jeden Fall verkaufen wollte, egal, wie wütend ich war. Sie war ein Profi, und keiner würdesich ihr in den Weg stellen. Christine und Sabrina waren weg, jetzt waren nur noch Vera und ich übrig, dazu noch ein neues Mädchen, das gerade angekommen war.
»Die Männer werden diese Augen lieben«, fuhr Sweta dann immer fort. »Wenn sie ihr erst in die Augen geschaut haben, brauchen sie nichts anderes mehr zu sehen. Sie ist im Moment auf Diät, aber bald wird sie vollkommen sein. Sehen Sie sich doch ihre Brüste an ...«
Aber keiner schien Interesse an mir zu haben, und als die Tage dahinzogen, hegte ich allmählich die Hoffnung, dass Sweta aufgeben und mich gehen lassen würde. Doch jedes Mal, wenn mir dieser Gedanke durch den Kopf spukte, schien sie das zu merken.
»Du weißt, ich verkaufe dich, egal, was
Weitere Kostenlose Bücher