Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
Vom Netzwerk:
und da begann das Warten von vorn. Wir aßen, wir saßen da, wir rauchten.
    Es muss gegen Mitternacht am darauffolgenden Tag gewesen sein, als der Polizist uns abholen kam. Wieder wurden wir zu dem Strand gefahren, wo Ardy auf eine längliche Landzunge aus Steinen wies, die sich ins Wasser erstreckte.
    »Da lang«, sagte er, und ich folgte ihm in die Dunkelheit.
    Ein Stück weiter vorn wartete ein Boot neben der Landzunge. Es sah aus wie ein großes Rettungsboot, und in der Mitte gab es ein Steuer, hinter dem ein Mann stand. Neben ihm hing eine große Lampe.
    »Steig ein«, sagte Ardy, als ich nach unten sah.
    So viele Leute, jung und alt, kauerten still auf dem Boden des Bootes, dass es für uns keinen Platz mehr zu geben schien.
    »Komm schon!«, zischte Ardy und gab mir einen Stoß, als ich mich daranmachte, die Steine hinunterzuklettern.
    Ich zog mich über den Bootsrand, stieg ein und kauerte mich hin wie alle anderen auch. Mir gegenüber sah ich eine Frau mit einem etwa fünfjährigen Mädchen.
    »Wann fahren wir denn los, Mama?«, fragte die Kleine, aber die Frau blieb stumm.
    Plötzlich hörte ich einen Schrei, als ein Schuss durch die Luft pfiff, und ich hob den Kopf und sah einen Mann mit weißer Schärpe den Strand hinunterlaufen. Polizei! Noch ein Schuss, und dann erfüllte der Geruch von Angst die Luft.
    »Na los, macht doch!«, schrie eine Stimme.
    »Los, los, schnell!«, bat eine andere.
    Das kleine Mädchen fing an zu weinen, und Ardy drückte meinen Kopf nach unten. Mein Herz raste, und das tiefe Dröhnen der Bootsmotoren vibrierte in meiner Brust. Es war falsch, was wir taten. Würde die Polizei uns fangen und töten?
    Das Boot unter mir machte einen Satz nach vorn, und bald wurde das Geräusch von Schüssen schwächer, als wir das offene Meer erreichten. Doch meine Angst schwand nicht so leicht. Ich hörte nichts als das Dröhnen der Motoren, und kaltes Wasser durchtränkte mich jedes Mal, wenn das Boot mit lautem Klatschen wieder auf der Wasseroberfläche aufschlug. Ich hatte Angst, ich könnte über Bord gehen, und so streckte ich die Hände aus, um mich an irgendetwas zu klammern, und da grub sich mir ein Ellenbogen in die Seite, das kleine Mädchen weinte, und jemand neben mir fing an, sich zu übergeben. Später sollte ich merken, dass ich mir die blutigen Fingernägel völlig aufgerissen hatte, als ich mich an den Bootsrand geklammert hatte, aber jetzt spürte ich nichts; vor Kälte und Angst war mein Körper ganz gefühllos.
    Ich weiß nicht, wie lange die Fahrt dauerte – es konnte eine Stunde sein, aber genauso gut auch mehrere Stunden, denn die Zeit war wie stehen geblieben. Ich kauerte immer noch auf dem Boden des Bootes, klammerte mich verzweifelt fest, und alle um mich herum taten dasselbe. In der Dunkelheit konnte ich kaum etwas erkennen; das Boot fuhr schnell, und ich betete, dass ich das hier überleben würde.
    Doch auf einmal wurde alles ruhig, und das Boot hielt an. Keiner sagte ein Wort. In der Stille hörte ich das Geräusch der Wellen, die gegen das Boot schlugen, und dann flüsterte in der Ferne ein anderer Motor. Das Flüstern wurde lauter und lauter. Jemand suchte nach uns.
    Plötzlich kippte unser Boot heftig auf die Seite, als der Motor wieder ansprang, und wir setzten uns erneut in Bewegung.
    »Anhalten! Polizei!«, rief eine Stimme durch ein Megaphon, und über meinem Kopf flackerten Lichter auf.
    Ohne ein Wort von sich zu geben, bewegten sich die Leute wie eine Welle, wogten über mich hinweg und sprangen vomBootsrand ins Wasser. Ardy versuchte, mich hochzuziehen, aber die Leute kletterten über mich drüber. Ich fühlte einen Fuß auf meinem Kopf und versuchte aufzustehen; verzweifelt wollte ich mich bewegen. Aber ich konnte nicht.
    Plötzlich wurde ich hochgehoben und ins Meer geworfen. In dem Bruchteil einer Sekunde, bevor ich auf dem Wasser aufschlug, hielt ich den Atem an, dann war nur noch eisiges Wasser um mich herum. Ich spürte, wie ich allmählich sank. Ich ruderte mit den Armen, um wieder an die Oberfläche zu kommen, aber meine Kleider, meine Schuhe und der Plastikbeutel auf meinem Rücken waren zu schwer. Ein Fuß stieß gegen meine Schulter, und ich spürte, wie ich noch tiefer sank. Ich durfte nicht sterben, durfte nicht zulassen, dass das Wasser mich hinunterzog und mich für immer verschluckte. Ich durfte jetzt nicht sterben. Nein. Nein. Nein. Ich zerrte an meinen Kleidern und an dem Plastikbeutel und versuchte, mich davon zu befreien, und mein

Weitere Kostenlose Bücher