Sie haben mich verkauft
Mein ganzer Schneid war verflogen, und ich fing an zu zittern. Noch nie war ich Ardy gegenüber ungehorsam gewesen. Was würde er tun? Mich an seine Freunde verkaufen, wie er das immer angedroht hatte?
Das Gesicht tat mir weh, wo er mich geschlagen hatte. Ich stand auf, ging unter die Dusche, dann setzte ich mich hin und zündete mir eine Zigarette an.
»Wie geht es dir?«, fragte Ardy, als er ins Wohnzimmer kam.
»Ich habe Kopfschmerzen«, antwortete ich.
»Also, was war los letzte Nacht?«
»Was meinst du?«
»Ich meine, was für einen Scheiß hast du da abgezogen? Erinnerst du dich an nichts mehr?«
»Nein.«
»Du lügst.«
»Nein, ich lüge nicht.« Ich riss die Augen weit auf und sah ihn ganz unschuldig an. »Bestimmt nicht. Was ist denn gewesen?«
»Du hast zu mir gesagt, ich soll mich verpissen.«
Ich starrte ihn an, Entsetzen im Blick. Ardy musste mir unbedingt glauben, dass ich nicht mehr wusste, was ich getan hatte. Er durfte nicht wissen, dass ich mich auch nur einen Atemzug lang daran erinnern konnte, ihm nicht gehorcht zu haben. »Das ist ja furchtbar, Ardy. Es tut mir so leid«, flüsterte ich. »So was hätte ich nie und nimmer sagen dürfen. Ich weißauch nicht, was da los war, aber ich tue es bestimmt nicht wieder.«
Kalt sah Ardy mich an. »Ist das dein Ernst?«
»Ja.«
»Na ja, sieh zu, dass du dich auch wirklich daran hältst«, sagte er. »Wenn nicht, wird es dir noch leidtun. Halt dir immer deine Kinder und die Probleme vor Augen, die sie kriegen könnten. Ich muss oft an deine hübsche Tochter denken, Oxana. Vielleicht könnte sie ja auch für mich arbeiten. Ich bin sicher, sie gibt eine prima Hure ab, wenn die Zeit reif ist.«
Ich wandte mich ab; mir war schlecht, aber ich gab mir alle Mühe, es nicht zu zeigen. Nie wieder durfte ich die Kontrolle über mich verlieren.
KAPITEL 26
L os, mach, wir hauen ab.« Eines Morgens warf mir Ardy meine Jacke hin. »Pack deine Sachen.«
»Schon wieder?«, fragte ich und setzte mich auf.
»Diese Bude ist ein Scheißloch. Das Geschäft geht mies. Wir verdienen nicht genug. Wir gehen irgendwohin, wo es besser ist.«
»Wohin?«
»Wartʼs ab.«
Es war Ende Januar, und die Landschaft, die an uns vorbeizog, war eisig und kalt. Wir kamen in eine nahe gelegene Stadt, wo wir Ardys Schwager trafen. Der fuhr uns dann weiter, stundenlang; auf den Schildern, an denen wir vorbeikamen, hieß es erst Österreich, dann Deutschland. War das diesmal unser Ziel?
Keiner hielt uns an, als wir über die Grenze nach Deutschland fuhren. Wir wollten bei Ardys Schwester unterkommen, die in einem fünfstöckigen Mietshaus in der Nähe von Frankfurt wohnte. Sie machte uns die Tür auf, wirkte aber beim Anblick ihres Bruders alles andere als erfreut. Ohne ein Wort zu sagen, winkte sie uns rein. Die Wohnung war warm und gemütlich, und ich sah Spielzeug auf dem Boden im Wohnzimmer liegen, als wir hereinkamen. Von den Kindern war allerdings nichts zu sehen, als wir uns setzten. Ardys Schwester knallte Schüsseln mit Essen vor uns auf den Tisch. Sie sahwütend aus und kalt, und ich spürte, dass sie mit der Situation nicht glücklich war.
»Geh doch einfach duschen, ja?«, sagte Ardy, als wir mit dem Essen fertig waren, und ich stand auf und ging ins Bad.
Ohne ein Wort zu sagen, kam die Frau hinter mir her und drückte mir ein Putzmittel in die Hand. Wortlos machte sie mir klar, dass ich nach der Benutzung des Bads alles scheuern sollte.
Ich stellte mich unter das heiße Wasser und wusch mir den Tag und die lange Reise ab. Trotz des laufenden Wassers drang Geschrei zu mir durch.
»Dreckige Hure!«, hörte ich die Frau schreien. »Verdammt noch mal, was macht die hier? In meiner Wohnung will ich die nicht haben. Wie lange wollt ihr bleiben?«
Mehr verstand ich nicht, ich blieb so lange im Bad, bis nichts mehr zu hören war. Als ich rauskam, waren da zwei kleine Mädchen im Wohnzimmer, die mich anlächelten, als ich mich setzte. Sie mussten etwa drei beziehungsweise sechs sein, und bald trat das ältere Mädchen zu mir und sagte etwas auf Deutsch. Ich verstand nicht, was sie sagte, und lächelte sie einfach nur an, während sie redete, aber als Ardys Schwester reinkam und ihre Tochter sah, nahm sie beide Mädchen und führte sie aus dem Zimmer.
Später brachte mich Ardy nach unten in den Keller und schloss eine Tür auf, die in einen kleinen Raum voller Kartons mit alten Kleidern, Werkzeug und Gewichten zum Trainieren führte.
»Du schläfst hier«, sagte er
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