Sie haben mich verkauft
und deutete auf ein Feldbett, das zusammengeklappt auf dem Boden lag. »Da kannst du dich hinlegen. Und in der Tasche daneben findest du eine Decke und ein Kissen.«
Ich starrte in den feuchten, dunklen Raum. Es gab nur ein winziges Fenster, und es war eisig kalt.
»Schlaf gut«, sagte Ardy.
Ich trat durch die Tür und atmete den Geruch nach feuchtem Stein ein. Die Tür schloss sich hinter mir, und Ardy drehte den Schlüssel im Schloss herum. Ich fand keinen Schlaf in der Nacht, als ich auf diesem Feldbett lag. Die Decke war so dünn, mir war kalt, und ich konnte nicht aufhören zu weinen, als ich so dalag. Ich wusste, ich durfte nicht zulassen, dass ich mich so elend fühlte. Ich musste mich innerlich noch besser abschotten, wie Eis werden, und durfte nichts fühlen. Nur dann würde der Schmerz nachlassen.
Mir war klar, dass Ardys Schwester mich nicht in der Wohnung dulden würde, und so war es keine große Überraschung für mich, als Ardy mich am nächsten Morgen in den Wagen verfrachtete.
»Wenn wir hier schon warten müssen, kannst du wenigstens was verdienen«, sagte er grob, auch wenn er mir nicht erklärte, worauf wir warteten.
Er brachte mich zu einem Lokal. Ich ging hinein und sah eine Bühne mit einer Stange darauf und Spiegel überall. Da war auch eine Bar, und dahinter führte eine Treppe nach oben; an der Decke hing eine Glitzerkugel, die winzige Lichtquadrate auf den Mädchen tanzen ließ, die vor der Bühne auf Ledersofas lagen. Es war etwa acht Uhr abends, und das Lokal war leer, also saßen alle Frauen herum, rauchten und unterhielten sich. Alle trugen sie sexy Nachthemdchen – manche hatten ein paar Streifen Stoff über den Brüsten, andere vorn einen tiefen V-Ausschnitt, der Rücken war frei, und ein strassbesetzter String-Tanga schaute hervor. Ich verstand nicht, worüber sie sich unterhielten, weil die Musik zu laut war. Ardy redete mit einer Frau, die hier das Sagen zu haben schien, dann drehte er sich zu mir um.
»Du bleibst jetzt eine Weile hier. Marja wird dir sagen, was du zu tun hast. Sie weiß, dass du nicht raus darfst, also denk nicht mal dran, klar? Ich bin in ein paar Tagen zurück.«
Dann ging er raus, und ich blieb stehen und starrte ihm hinterher. Sosehr mir sein Anblick auch verhasst war, er war doch der einzige Fixpunkt in meinem Leben, und ich bekam es mit der Angst, als ich ihn verschwinden sah.
»Komm mit«, sagte die Frau auf Russisch, und ich folgte ihr.
»Das hier ist dein Zimmer«, sagte sie, als sie eine Tür aufmachte. »Du teilst es dir mit einem anderen Mädchen, und wenn viel zu tun ist, musst du ein anderes benutzen.«
Der Raum war klein und sauber, die Wände rosa gestrichen, und überall hingen Bilder von nackten Frauen.
»Hast du Kleider?«, fragte die Frau.
»Nur das«, antwortete ich und deutete auf meine Hose und meinen Mantel. Ardy hatte meine Reisetasche in der Wohnung behalten.
»Ich bring dir was.« Die Frau ging und kam ein paar Minuten später mit einem roten Negligé zurück. »Zieh das an«, sagte sie. »Hast du Kondome?«
»Nein.«
Sie seufzte und ging noch einmal weg.
Als ich allein war, zog ich mich aus und streifte das Negligé über, dann setzte ich mich und wartete. Mir war völlig klar, dass ich mich in einem Bordell befand und hier Freier empfangen sollte. Ich war ein wenig nervös. Das war alles ganz neu für mich. Über Geld hatte die Frau nichts gesagt. Vielleicht verlangten wir ja, was wir wollten, und der Kunde gab es uns, wenn wir allein mit ihm waren. Ein winziger Hoffnungsschimmer flackerte in mir auf – vielleicht würde ich ja etwas für mich behalten können.
Die Frau kam wieder und gab mir ein paar Kondome.
»Du solltest jetzt runtergehen und die anderen kennenlernen«, sagte sie, und wieder folgte ich ihr.
Nervös setzte ich mich zu den anderen Frauen auf den Sofas. Bisher hatte ich im Grunde mit keiner Frau gesprochen, die auf dieselbe Weise arbeitete wie ich. Von den anderen Mädchen in Venezia Mestre hatte ich mich ferngehalten, und auf den Straßen von Cavalese hatte ich keine anderen gesehen. Ich überlegte, wie sie wohl so sein mochten, aber bald merkte ich, dass sie genauso waren wie die Frauen bei Serdar – jung, einigermaßen nett und alle aus Osteuropa. Allmählich entspannte ich mich, als wir uns in dem Sprachengemisch unterhielten, das wir unterwegs gelernt hatten, und dabei rauchten wir, saßen da in unseren Negligés und warteten.
Ich hatte Angst vor meinem ersten Freier hier, aber in dieser
Weitere Kostenlose Bücher