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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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Ich sah meinen Atem in Form von kleinen weißen Wölkchen, als ich mit den Füßen auftrat und versuchte, das Blut wieder zum Zirkulieren zu bringen. Ob wohl noch Freier heute Nacht kämen? Es wurde allmählich spät, und um diese Zeit lagen vermutlich längst alle in ihren Betten. Es war so kalt.
    In dieser Nacht musste ich immer wieder an zu Hause denken. In der Ukraine feierte man heute Neujahr. Das war der größte Festtag im Jahr, und in drei Tagen wäre mein sechsundzwanzigster Geburtstag. Alles in mir tat weh, wenn ich an Ira und die Kinder dachte. Würden sie an mich denken, wenn sie die Gläser hoben und auf das neue Jahr tranken? Würdensie mir Karten zum Geburtstag malen und sich dann fragen, weshalb ich nicht da war und sie aufmachte?
    Ich steckte eine Hand in die Tasche und fühlte die fünfzig Euro dort. Die neue Währung war gerade in Gebrauch gekommen, und der eine Freier in dieser Nacht hatte mir den Schein gegeben. Ich malte mir aus, etwas Alkoholisches zu trinken, als ich die Tür zur Bar anstarrte. Seit unserer Ankunft in Cavalese hatte ich von Ardys Freunden Wein gestohlen, denn ich mochte das weiche, warme Gefühl überall im Körper, wenn ich einen Schluck trank, und jetzt wollte ich wieder etwas, als ich so an zu Hause dachte. Aber es ging nicht. Ardy würde mich umbringen, wenn er herausfände, dass ich sein Geld ausgegeben hatte.
    Doch die Zeit verging, und ich wurde immer wütender. Wieso sollte ich nicht einen Schluck trinken, wo doch meine ganze Familie feierte? Wieso ließ mich Ardy hier auf dieser eiskalten Straße stehen, wenn mich doch keiner wollte? Ich war es leid, ihm wie ein Schatten zu folgen, immer alles zu tun, was er befahl. Scheiß drauf. Ich würde mir jetzt einen Schluck genehmigen und dabei an meine Familie denken. Wenn ich das schnell machte, würde er es gar nicht merken.
    Vor lauter Angst rannte ich und stürmte durch die Tür in die Bar. Dort drin war es ruhig, nur ein paar Gäste saßen dort und tranken. Die vertraute Stimme meines italienischen Lieblingssängers erfüllte die Luft, und mein Herz schlug ein bisschen ruhiger. Seit ich in Italien war, schwärmte ich für Eros Ramazzotti – seine Musik war romantisch, seine Stimme wunderschön, und er sah sehr gut aus. Ich brauchte ihn bloß singen zu hören, und schon ging es mir besser.
    Der Barkeeper lächelte mich an, als ich auf ihn zukam und mich auf einen Barhocker setzte.
    »Einen doppelten Whisky. Ohne Eis«, sagte ich hastig. Ich musste schnell sein.
    Der Mann sagte nichts, als er mir den Drink einschenkte. Ich trank auf ex und wollte gleich noch einen, als mir der Whisky im Magen brannte.
    »Noch einen bitte«, sagte ich.
    Ich rauchte eine Zigarette nach der anderen, trank meinen nächsten Whisky und hatte Ardy bald völlig vergessen, als der Kopf mir langsam zu schwimmen begann. »Frohes neues Jahr«, sagte ich zu mir selbst, als ich mir Sascha, Pascha und Luda vorstellte. Sollte dies das Jahr sein, in dem ich endlich meine Schulden abbezahlen und zurück zu ihnen nach Hause konnte?
    Plötzlich stand Ardy neben mir und sah mich an; er war fuchsteufelswild. »Was machst du hier, verdammt noch mal?«,
    zischte er mir ins Ohr.
    Ich drehte mich zu ihm um.
    »Verpiss dich«, sagte ich. »Heute Nacht feiern die Leute in meinem Land. Es ist Neujahr, also feiere ich hier drin.«
    »Los, raus hier, oder es wird dir noch leid tun«, sagte Ardy leise und nahm mich beim Arm.
    Die eisige Luft nahm mir fast den Atem, als er mich nach draußen zog, und in meinem Kopf drehte sich alles noch viel mehr.
    »Scheiße, wie kannst du es wagen?«, schrie Ardy. »Du kommst dir wohl ziemlich schlau vor, was?«
    Er holte aus und schlug mich, und ich fing an zu lachen. Von dem Whisky war mein Kopf so leicht, mein Herz so mutig. Wieso sollte er nicht wissen, dass ich nicht für immer sein Schaf sein würde?
    »Tu mir nicht allzu weh«, sagte ich. »Wenn ich morgen mit blauen Flecken zur Arbeit gehe, wird mich keiner wollen. Aber wenn dir das nichts ausmacht, dann bitte, nur zu.«
    Ardys Augen flammten auf, er holte aus und schlug mich erneut. Und wieder lachte ich.
    »Na schön, dann arbeite ich morgen eben nicht, denn ich werde überall Blutergüsse haben. Willst du das?«
    »Du bist ja betrunken, du dämliche Nutte«, zischte er. Dann sagte er nichts mehr, als er mich packte und mich nach Hause zerrte.
    Am nächsten Tag wachte ich mit einem entsetzlichen Hämmern im Kopf auf, und ich war ganz entsetzt wegen dem, was ich getan hatte.

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