Sie haben sich aber gut gehalten!
will.
«Was hat er denn?», wundert sich Herbert. «Ich würde doch nie mit tattrigen Rentnern durch die Gegend schippern wollen. Du vielleicht?» Fragend sieht er Lotte an.
«Auf keinen Fall!», erwidert sie und lacht. «Aber wie wär’s mit einem Bananendampfer, als blinder Passagier?»
Nach diesem Vorschlag schmachtet mein Vater sie so verliebt an, als habe sie seine geheimsten Wünsche erraten. «Das war schon immer mein Traum. Woher wusstest du das?»
«Ach», antwortet sie mit laszivem Augenaufschlag. «Ich kann hellsehen.»
Nicht zu fassen! Ich hingegen sehe schwarz für den Hausfrieden, wenn ich mir dieses Nonsensgeplänkel über Bananendampfer und Hellseherei noch länger anhören muss.
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12
N ach dem verunglückten Start in den Tag verziehe ich mich in den Keller – offiziell zum Wäschewaschen. Natürlich bezweifelt niemand meine Absicht. Schließlich wartet Papas Wäsche auf mich, und auch Fabians Reisetasche war prall gefüllt mit schmutzigen Klamotten. In Wahrheit ist es nur ein Vorwand, um in Ruhe nachzudenken. Nachdem das Haus fast bis unters Dach voller Menschen ist, bleibt nur noch das Untergeschoss. Hierher verirrt sich kaum jemand – denn hier wartet Arbeit.
Mein Zweitältester hat sein altes Kinderzimmer in Beschlag genommen. Er ist nur ein Mal kurz aufgetaucht, als er ein Stück Kaminholz zum Schnitzen suchte, und hat dann verkündet, er wolle seine Zukunftspläne überdenken. Genau wie ich. Deshalb verdränge ich auch, dass Lotte die Küche aufräumt. Allzu viel kann sie hoffentlich nicht anstellen, Papa ist dabei, endlich die Spülmaschine zu reparieren, und hat sie im Auge.
Seufzend beginne ich die Wäsche zu sortieren. Ich darf mich durch Fabians Auftauchen nicht von meinem Ziel abbringen lassen, denke ich. Es war doch schon wieder in greifbarer Nähe. Es muss einfach einen Weg geben, meine Sippe anderswo unterzubringen, murmle ich gerade beschwörend vor mich hin, als ich Schritte auf der Treppe vernehme.
«Liiiebchen!»
Tja, ungestörte Momente sind wohl ab sofort gestrichen, stelle ich resigniert fest. Irgendein Familienmitglied wird mich immer mit einem Anliegen stören. Und schon erscheint Lotte verlegen lächelnd im Türrahmen.
«Sag mal, Liebchen, ist in der Maschine noch Platz für ein, zwei Teilchen?» Mit unschuldiger Miene hält sie ein dickes Wäschebündel in den Armen, das definitiv nach mehr als zwei
Teilchen
aussieht.
«Na klar, immer her damit», antworte ich, weil es darauf nun auch nicht mehr ankommt. «
Mimi
packt das schon.»
«Mimi?»
«So haben die Kinder unsere Waschmaschine genannt», erkläre ich. In der Erinnerung an die Namenswahl und den darum entbrannten Streit zwischen den Kindern entschlüpft mir ein verträumtes Lächeln. «Charlie wollte sie
Terminator
nennen und Fabian K.I.T.T. , nach dem sprechenden Auto in
Knight Rider
. Gelöst wurde das Problem durch Streichhölzer ziehen. Julianes
Mimi
gewann.»
«Was Kinder doch für eine goldige Phantasie haben», entgegnet Lotte. «Mein Rasierapparat heißt übrigens Toni.»
«Toni?», wiederhole ich und starre sie verwirrt an, entdecke aber keinen Damenbart. Jedenfalls ist auf ihrer Oberlippe nicht mal ein dunkler Schatten zu sehen. Das kann aber auch an dem schummrigen Kellerlicht liegen.
Als sie meine Irritation bemerkt, lacht sie auf. «Den benutze ich doch für die Beine», erklärt sie dann. «Und Toni ist die Abkürzung von Remington.»
«Ach so.» Ich deute auf einen leeren Wäschekorb, da sie ihr Bündel immer noch umklammert hält. «Wirf dein Zeug doch da rein. Ich sortiere es später, zusammen mit der anderen Wäsche.»
Sie lässt ihre Sachen in den Korb plumpsen. «Ach was, Sortieren ist unnötiger Aufwand», sagt sie dabei. «Wasch einfach alles zusammen in einem Gang. Es ist ja nur Buntes, und wenn sich tatsächlich was verfärbt, entsteht vielleicht ein lustiges Muster. Auf die Weise komme ich zu einem neuen Kleidungsstück, ohne auch nur einen Cent dafür ausgeben zu müssen. Wo wir doch so knapp bei Kasse sind», setzt sie noch hinterher.
Was heißt hier:
Wir
sind knapp bei Kasse! Erwartet sie etwa, dass ich sie durchfüttere
und
obendrein noch einkleide? Aber zu ihrer umwerfenden Logik fällt mir kein plausibles Gegenargument ein. «Hm, ich weiß nicht», murmle ich missmutig und betrachte die gefüllten Wäschekörbe.
«Meiner Erfahrung nach ergibt die Menge zwei Trommeln Buntes bei niedriger Temperatur und eine mit weißer Wäsche bei sechzig
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