Sie haben sich aber gut gehalten!
Grad», antwortet Lotte.
«Ich meine nicht die Wäsche», erwidere ich genervt und fülle Waschpulver ein. Ich will sie gerade fragen, ob sie das Waschen nicht übernehmen möchte, wo sie ganz offensichtlich Profi ist, als lautes Stimmengewirr zu uns in den Waschraum dringt.
«Besuch?», schließt Lotte aus dem Lärm.
Wer immer das sein mag, hoffentlich möchte er nicht zu mir. «Erwartest du jemand?», frage ich bange.
«Eigentlich nicht. Aber ich liebe Überraschungen», zwitschert sie aufgeregt und saust davon.
Ich kann Überraschungen nicht ausstehen, knurre ich beim Einstellen der Waschtemperatur. Mein Bedarf an unerwarteten Besuchen, Überraschungen und sonstigen Neuigkeiten ist für die nächsten zehn Jahre gedeckt. Mindestens.
«Rooosy, komm schnell nach oben», höre ich Lotte dann auch prompt kreischen.
Ihrem Geschrei folgt ein: «Mama, wo bist du?» von einer hellen Frauenstimme, die jemandem gehört, der eigentlich außer Landes sein müsste.
Quatsch, mein Gehör hat mich getäuscht, versuche ich mich selbst zu beruhigen. Das kann unmöglich Juliane sein.
Doch auf dem Weg nach oben ins Erdgeschoss fühle ich ein seltsames Kribbeln in der Magengegend, das von Stufe zu Stufe intensiver wird. Oben angekommen, sehe ich meine Vorahnung bestätigt.
«Hallo, Mama!»
Umringt von Fabian, Charlie und Marie, Lotte und Herbert, strahlt mich meine Tochter mit ihrem schönsten Lächeln an.
«Sieh nur, wer uns besuchen kommt», freut sich Lotte und hakt Juliane unter.
Ja, ich sehe, dass mein «Überraschungsei» es wieder mal geschafft hat, mich zu verblüffen. Das begann schon vor ihrer Geburt. Unser heißersehntes kleines Mädchen kam zwei Wochen vor dem errechneten Termin als Sturzgeburt zur Welt. Aber genau wie damals freue ich mich auch jetzt riesig über ihre Ankunft und strecke meine Arme nach ihr aus.
Nach ausgiebiger Umarmung gestatte ich mir dann aber doch die Frage: «Warum hast du nicht angerufen? Ich hätte dich doch vom Flughafen abgeholt.»
Charlie legt den Arm um seine Marie. «Das haben wir erledigt.»
Juliane nickt mit unschuldiger Miene. «Ich wollte dich überraschen. Und du bist doch sowieso immer zu Hause, Mama.»
Richtig! Wie konnte ich das nur vergessen? Bei mir muss sich ja niemand anmelden!
«Na, die Überraschung ist dir nicht zum ersten Mal gelungen», lächle ich gequält und betrachte sie eingehend. Sie trägt hautenge hellbeige Popelinhosen mit Umschlag und ein Shirt mit Blazer, beides in Weiß. Dazu hellbraune Plateausandalen mit Keilabsatz, wie sie in den Siebzigern schon mal Mode waren. Und das glatte lange Haar glänzt wie in einem Werbespot. Überhaupt erinnert sie mich an ein Model. «Chic siehst du aus … Und so …»
«Italienisch!», hilft sie mir auf die Sprünge.
Ich wollte eigentlich «verändert» sagen. Meine Jüngste hat offensichtlich zwei große Leidenschaften aufgegeben. Einmal die Musik, denn ich sehe keine Ohrstöpsel, die zu einem iPod führen, und die Nascherei. Sie war ein Schokoholic, wie es neudeutsch heißt, und deswegen immer etwas zu moppelig.
«Du glaubst ja gar nicht, wie chic die Italienerinnen sind», berichtet Juliane mit leuchtenden Augen. «Sogar Marktfrauen kleiden sich trendy und tragen modische Frisuren. Nicht so wie hier –»
«Wie auch immer», unterbreche ich ihren Redeschwall, bevor sie auf mich in meinem Jogginganzug losgeht. Die Frage, wie man es schafft, im Land von Pasta und Pizza nicht zu-, sondern abzunehmen, werde ich später klären.
«Wieso stehen wir eigentlich hier im Flur rum?», mischt mein Vater sich jetzt ein.
«Ja, gehen wir doch ins Wohnzimmer», schlägt Lotte vor und wendet sich an Juliane. «Wir wollten sowieso bald zu Mittag essen. Hunger hast du doch bestimmt auch, oder, Kind?»
«Nein danke», antwortet unser Nesthäkchen müde und streicht sich durchs Haar. «Ich bin total verschwitzt, würde lieber erst mal auspacken, dann duschen und mich umziehen.»
Charlie und Fabian erklären, dass sie gerne etwas essen würden. Marie dürstet es nach laktosefreier Milch. Und mein Vater, der in seinen blauen Handwerker-Latzhosen nach schweißtreibender Arbeit aussieht, hat bereits Appetit auf was Deftiges.
«Also, wenn es sowieso etwas zu essen gibt», meldet sich nun Marie mit zartem Stimmchen. «Eine winzige Kleinigkeit würde ich auch essen. Aber kein Fleisch.»
«Marie ist Vegetarierin», erklärt der werdende Vater stolz.
Die versammelte Mannschaft nickt bewundernd, als sei das eine
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