Sie haben sich aber gut gehalten!
«Hallo, John. Es tut mir leid, dass ich beim letzten Mal so –»
«Ist alles in Ordnung?»
«Ähm, ja», versichere ich und erkläre ihm meine familiäre Ausnahmesituation.
Er nimmt es mit Humor, und meinem Gefühl nach ist er auch nicht mehr sauer wegen meiner Absage für die Wohnungsbesichtigung.
«Hast du morgen Nachmittag schon etwas vor, Rosy?», erkundigt er sich vorsichtig.
Mir schießt sofort der Blutdruck hoch. «Warum fragst du?»
«Ich habe nämlich eine große Bitte an dich», antwortet John.
«Eine Bitte?», wiederhole ich. Ich kann mir bei aller Phantasie nicht vorstellen, was ausgerechnet ich für ihn tun könnte.
«Es wird dir Spaß machen», versichert er mir und fleht mich inständig an, nicht nein zu sagen. «Ich bin in einer verzweifelten Lage, Rosy, aus der nur du mich befreien kannst.»
Als John ausführlich die Einzelheiten erläutert, fehlen mir erst mal die Worte.
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13
K urz vor meiner Verabredung mit John erreiche ich das Viertel rund um das Schwabinger Krankenhaus. Die Gegend ähnelt der unseren. Kleine schmucke Einfamilienhäuser neueren Datums zwischen alten großen Villen, umgeben von gepflegten Gärten hinter Hecken oder weißlackierten Zäunen. Und kein Verkehr. Hier fährt höchstens mal ein Anlieger durch. Einen Geschwindigkeitsrekord wird man in der Wohngegend aber nicht mal bei Missachtung der 30 er-Zone brechen können. Die kleinen Straßen sind teilweise noch mit Kopfsteinpflaster belegt und kaum fünfhundert Meter lang. Ehe man richtig Gas gegeben hat, muss man schon wieder auf die Bremse treten.
Wie ich beim Einbiegen in die Mottlstraße sehe, erwartet mich John am Gartenzaun. Er trägt einen anthrazitfarbenen Anzug, wieder die schwarze Ledertasche über der Schulter und eine Sonnenbrille.
Aufgeregt halte ich vor dem Haus, stelle den Motor ab und steige aus dem Wagen. Mein Bauchgrummeln signalisiert mir, dass es jetzt ernst wird.
Johns dringende Bitte bezog sich nämlich auf eine Hausbesichtigung. Eine Mitarbeiterin war wegen einer schweren Grippe ausgefallen. Ausgerechnet heute hat er zwei Termine zur selben Zeit für zwei unterschiedliche Objekte. Absagen wollte er aber keinem der Interessenten. Deshalb hat er mich um Hilfe gebeten. Im ersten Moment dachte ich nur an meine Blutsaugersippe, die mit Lottes Unterstützung garantiert irgendeinen Unsinn anstellen würde, und wollte sofort ablehnen. Aber dann sagte ich mir, warum nicht. Außerdem ist es eine prima Gelegenheit, in die Maklerbranche reinzuschnuppern.
Zugegeben, die Aussicht, John wiederzutreffen, war das überzeugendste Argument.
Geschäftig streckt John mir die Hände entgegen. «Hallo, Rosy! Vielen Dank, dass du mir aus der Patsche hilfst.» Und anstatt mich zu umarmen oder mir wenigstens ein flüchtiges Küsschen auf die Wange zu hauchen, tritt er einen Schritt zurück und mustert mich. «Du siehst sehr professionell aus.»
Ich bedanke mich lächelnd. Es hat sich also gelohnt, mich heute Morgen noch mit Suse bei «Maendler» zu treffen. Ich wollte zu diesem wichtigen Termin einfach nicht in meinen ollen Hausfrauen-Klamotten auftauchen. In dem karamellfarbenen, zweiteiligen Kleid, das ich in Suse Lieblingsboutique erstanden habe, fühle ich mich jetzt wie eine richtige Business-Frau.
Dass mich die Verwandlung von der Vorstadthausfrau zur erfolgreichen Karrierefrau ein kleines Vermögen gekostet hat, verdränge ich lieber. Der Zweck heiligt die Verschwendung!
Für einen süßen Augenblick lasse ich mich in einen Tagtraum fallen, in dem John und ich dieses Haus als verliebtes Paar betreten, um es für uns zu erwerben und …
«Wie geht’s der Familie?», erkundigt sich John unvermittelt und reißt mich aus meinen rosaroten Phantasien.
«Ähm … danke. Gestern Nachmittag kam auch noch meine Tochter Juliane überraschend aus Italien zurück. Sie hat ihr Studium abgebrochen und wird vorerst auch im Haus wohnen», erkläre ich. «Die Familie ist sozusagen wieder komplett», scherze ich.
John hebt die Brauen. «Aha», antwortet er einsilbig.
Als ich seinen kühlen Blick registriere, überlege ich, ob sich seine Frage eher auf sein Wohnungsangebot für Lotte und das junge Paar bezogen hat.
«Von Lotte soll ich dich übrigens ganz herzlich grüßen und dir für deine Mühe danken», schwindele ich eilig. «Ich persönlich hoffe, dass sie und die Kinder sich bald für die Wohnungen entscheiden.»
«Schon gut, Rosy», entgegnet John. «Es war ja nur ein unverbindlicher
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