Sie haben sich aber gut gehalten!
unschlüssig mit Wurst und Käse. «Aber natürlich telefoniere ich regelmäßig mit meinem Sohn. Ach, schönen Gruß noch von Herbert. Und von Juliane. Sie ist mit einer Freundin über Nacht am Starnberger See auf einer Sommernachtsparty.»
Das ist doch nicht zu fassen, stöhne ich wütend in mich hinein. Sie versucht wieder mal das Thema zu wechseln. Aber inzwischen durchschaue ich ihre Tricks und auch, dass dahinter immer eine Katastrophe lauert. «Das habe ich nicht gefragt, Lotte. Von Julianes Plänen wusste ich übrigens. Sie hat es ja beim Abendessen erwähnt», entgegne ich streng und wiederhole meine Frage. «Was macht dein Sohn hier mitten in der Nacht?»
Volker platzt in die Küche. Immer noch halb nackt, immer noch verschwitzt. «Ist der Imbiss fertig, Mutter? Die Jungs haben einen Bärenhunger!»
Irritiert starre ich ihn an. Auf seiner feuchtglänzenden Stirn kleben Holzspäne. Und seine Hände sind schmutzig wie die eines Handwerkers. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde, hielte ich es für einen üblen Scherz. Mein Exmann macht sich die hochsensiblen Chirurgenhände schmutzig! Bisher war schon ein harmloser Schraubenzieher gefährlicher als eine Kettensäge.
«Es dauert noch einen Moment», vertröstet Lotte ihn. «Aber ihr könnt euch ja schon mal die Hände waschen.»
Ich will Volker zur Rede stellen, aber er scheint das aufkommende Gewitter zu ahnen und schwirrt eilig ab.
«Jetzt rück endlich raus mit der Sprache. Was will er hier?», herrsche ich Lotte deshalb entnervt an. «Und komm mir nicht mit
zufällig
oder einem nächtlichen Frühjahrsputz-Anfall, zu dem du ihn zu Hilfe gerufen hast. Volker hat noch nie geholfen, wenn Arbeit anstand. Er lässt helfen!», setze ich spöttisch hinzu.
«Ach, wenn du auf meine Gummihandschuhe anspielst, die trage ich nur, damit die Handpackung …»
«Auaaa!»
Ein Schmerzensschrei aus dem Flur lässt Lotte und mich zusammenzucken.
Als Nächstes fliegt die Küchentür auf. Charlie erscheint, gefolgt von Fabian.
«Mama! Soma!» Charlie streckt uns den Daumen seiner linken Hand mit Leidensmiene entgegen. «Einen Verband!»
«Himmel, Gesäß und Nähgarn!», ereifert sich Lotte, tritt zu ihrem Lieblingsenkel, runzelt bestürzt die Stirn und inspiziert die Hand von allen Seiten.
Ha! Das war ja klar, dass sie diese Gelegenheit ausnutzt, um den unbequemen Fragen der Schwiegertochter zu entkommen. Aber ich kann warten.
Obwohl ich weder am Daumen noch an der Hand den kleinsten Kratzer entdecke, bemühe ich mich, mütterlich besorgt zu klingen. «Was hast du denn angestellt?»
«Ich wollte die Wickelkommode … Keine Ahnung, warum das Ding … Na ja, sie ist zusammengekracht … Und der Daumen war da irgendwie …», berichtet er stockend, wie ein Schwerverletzter.
Seine zusammengestotterte Erklärung klingt ziemlich dramatisch. Es fehlen nur die Tränen. Aber ich sehe nicht ein Tröpfchen Blut, so schlimm kann es also nicht sein.
«Besser jetzt als später, wenn das Baby draufliegt», versuche ich ihn zu beruhigen.
Fabian nickt mir zu und rollt genervt die Augen. «Unser Studiosus ist einfach ein Weichei!», spottet er.
Charlie ignoriert die Beleidigung seines Bruders, stattdessen wiederholt er seine Forderung um Erste Hilfe. «Bekomme ich jetzt endlich einen Verband?»
«Und wo genau bist du verletzt?», frage ich nach.
«Er bildet sich ein, der Daumen sei gebrochen», antwortet Fabian, der sich inzwischen zwei von den belegten Broten gemopst hat.
«Oh, oh», murmelt Lotte in bestürztem Ton. Selbstverständlich sind Charlies Hände nicht weniger wertvoll als die seines Vaters. «Gebrochen? Kannst du ihn denn noch bewegen? Wenn nicht, sollten wir ins Krankenhaus fahren und ihn röntgen lassen. Mit so was ist nicht zu spaßen.»
Charlie stöhnt theatralisch auf.
«Na, jetzt übertreibt ihr aber», bremse ich die beiden.
«Finde ich auch», stimmt Fabian mir zu. «Und wenn mich der Depp den Kasten alleine hätte zusammenbauen lassen, wäre das gar nicht passiert.»
«Aber es ist die Wickelkommode für
mein
Kind, und die wollte
ich
zusammenbauen», protestiert Charlie.
«Und ich bin der Onkel», lacht Fabian auf. «Du hättest zumindest auf mich hören und die Verbindungen zusätzlich verleimen sollen. Aber du hältst dich ja immer für schlauer, nur weil du studiert hast.»
«Ich dachte, Volker hilft euch!», mische ich mich in den Streit ein und mustere Lotte. Der Seitenhieb musste einfach sein.
«Das hat er doch bestimmt
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