Sie haben sich aber gut gehalten!
knarrt die Tür zum Wohnzimmer. Ein weißes Shirt mit Froschkönig-Aufdruck auf langen schlanken Beinen in goldenen Sandalen erscheint. Benommen reibt sich Marie die Augen und wirkt dabei wie eine zum Leben erwachte Porzellanpuppe mit vom Schlaf geröteten Wangen.
Mit zwei Schritten bin ich bei ihr. «Marie, geht es dir gut? Und dem Baby?»
«Ja. Warum?» Verständnislos blickt sie mich aus ihren großen goldbraunen Augen an. «Ich bin vor dem Fernseher eingenickt und stehe nur etwas neben mir.»
Lotte drückt Volker das Tablett in die Hand. «Los, ab damit. Die Jungs haben Durst.»
«Papaaa!»
Dem Schrei folgt ein beängstigend lautes Splittergeräusch, das uns zusammenschrecken lässt.
«Was ist da oben los?» Mein verstörter Blick wandert von Lotte zu Volker.
Der halbnackte Starzahnarzt zuckt mit den Schultern, dreht sich um und zieht wortlos mit den Getränken ab.
Lotte schiebt mich und Marie ins Wohnzimmer. «Du musst dich ausruhen, kleine Mama», flüstert sie leise, dirigiert uns beide zur Couch und verrät mir nun den Grund für den Tumult. «Wir richten die Räume im Dachgeschoss her und das Kinderzimmer auch gleich mit. Die Zeit vergeht ja wie im Flug, es sind noch nicht mal die Wände gestrichen.»
Marie greift nach der sandfarbenen Decke auf dem Sofa, ich schnappe mir die Fernbedienung, um den noch immer laufenden Fernseher auszuschalten. «Willst du dich nicht lieber in Charlies Kinderzimmer ins Bett legen, Marie? Dort ist es doch viel bequemer als auf der durchgesessenen Couch.»
Beinahe unmerklich schüttelt sie den Kopf und sinkt anmutig auf die Polster. Alles, was diese madonnenhafte Schönheit tut, ist graziös, leise und zart, so als ob sie niemanden stören möchte. Aber gerade deshalb befürchte ich ständig, etwas falsch zu machen.
«Hier unten ist es zwar auch nicht totenstill, aber doch etwas ruhiger», behauptet Lotte, legt fürsorglich die Decke über den kaum sichtbaren Babybauch und streicht Marie beruhigend über das dunkle Haar. Dann packt sie mich am Arm und zieht mich aus dem Zimmer. Im Flur beginnt sie erneut zu flüstern. «Marie hatte Schmerzen …»
«Was?», raune ich alarmiert und sehe mich schon ins Krankenhaus düsen. «Warum habt ihr mich nicht verständigt?»
«Beruhige dich, Liebchen, wie sich herausgestellt hat, waren es nur starke Blähungen. Wahrscheinlich hat sie nur zu viel Tee getrunken und zu wenig gegessen. Oder war es andersrum? Na, egal. Mit etwas Natron war das schnell kuriert. Vielleicht hat sie auch auf den Lärm und die ständige Unruhe reagiert, unsere Marie ist ja sehr sensibel.»
«Na gut», seufze ich erleichtert. In meiner Angst habe ich uns schon in die Notaufnahme düsen sehen. «Dann erfahre ich jetzt endlich, was Volkers Anwesenheit zu bedeuten hat?»
«Er kam zufällig vorbei», behauptet sie, als wäre es das Normalste der Welt, dass mein Exmann halb nackt durch unser Haus turnt. «Na ja, und wenn er schon mal da ist, kann er die Jungs bei den Arbeiten unterstützen. Zu dritt geht’s doch viel flotter –»
Ich kann nicht glauben, was sie da erzählt. «Ach, und dass die Zimmer fertig werden müssen, fällt euch urplötzlich am Samstagabend ein? Während des Essens war jedenfalls nicht die Rede davon, dass noch heute Nacht mit den Umbauten begonnen wird.»
«Wir haben beschlossen, dass Charlie und Marie so bald wie möglich einziehen sollen, um die Miete für das Appartement in Schwabing zu sparen … Los», flüstert sie und winkt mit der rosa Gummihand. «Komm mit in die Küche, Brote schmieren.»
«Brote schmieren?», wiederhole ich, dem Luftballonshirt hinterhertrottend. In der Küche kann ich mich dann aber nicht mehr beherrschen. «Lotte, warum ist Volker wirklich hier?», schnauze ich sie an. «Seit der Scheidung ist er noch nie rein
zufällig
vorbeigekommen.»
Lotte übergeht meine Frage einfach. Sie ist damit beschäftigt, den Inhalt des Kühlschranks zu inspizieren. Was ziemlich skurril aussieht. Sie taucht halb in das Innere ab, sodass ich nur noch ihren üppigen Po und die rosa Gummihände sehe.
Plötzlich fällt mir eine weit plausiblere Erklärung für Volkers Anwesenheit ein. «
Du
hast ihn angerufen, oder?», frage ich lauernd, als sie mit einem Arm voller Lebensmittel wiederauftaucht. Die Kühlschranktür schubst sie mit dem Po an und stemmt sich zusätzlich noch dagegen, damit sie auch wirklich schließt.
«Nicht heute», antwortet sie ausweichend, begibt sich zur Arbeitsfläche und hantiert dort
Weitere Kostenlose Bücher