Sie haben sich aber gut gehalten!
regenfrische Nachtluft ein und gebe Gas.
Während der Fahrt komme ich wieder ins Grübeln. Warum taucht seine Ex mit einem eigenen Wohnungsschlüssel am späten Abend bei ihm auf? Warum hat sie überhaupt noch einen Schlüssel, wenn sie doch angeblich getrennt sind? Und warum hat er sie nicht sofort hochkant rausgeworfen? Sosehr ich auch nachdenke, eine plausible Erklärung für Johns sonderbares Verhalten finde ich nicht, und schon gar keine für das Hereinplatzen seiner Ex. Ich muss der Wahrheit wohl ins Auge sehen: Meine Jugendliebe ist und bleibt ein Lügner, ein erbärmlicher Frauenheld, dem eine Frau nicht genügt. Nie genügen wird!
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17
K urz nach zehn erreiche ich unser Anwesen und bin sofort von meinen Grübeleien abgelenkt. Das ganze Haus erstrahlt in Festbeleuchtung. Hinter allen Fenstern brennt Licht. Ungewöhnlich für diese späte Stunde, noch dazu, wo Lotte wie die hauseigene Ressourcenpolizei jede unnötig brennende Lichtquelle aufspürt und Vorträge über Energieverschwendung hält.
Mit mulmigem Gefühl im Magen parke ich den Wagen in der Garage. Was ist bloß hier los? Und noch ehe ich den Motor abgestellt habe, schießt mir ein erschreckender Gedanke durch den Sinn.
Das Baby!
Panisch vor Sorge, rase ich ins Haus. «Marieee!», rufe ich, stolpere im Flur beinahe über einen Koffer und bleibe geschockt stehen.
Ein halbnackter, schweißglänzender Mann in dunkelgrünen Bermuda-Shorts starrt mich an, als wolle ich ihn überfallen.
Volker?!
Einige Sekunden lang fehlen mir die Worte. Vielleicht vertrag ich keine Cola mehr, überlege ich. Oder ich stehe unter Schock wegen der absurden Szene in Johns Wohnung und halluziniere halbnackte Männer. Ich schließe kurz die Augen, doch als ich sie wieder öffne, ist Volker immer noch da.
«Was machst du hier?», herrsche ich ihn an, als ich meine Stimme wiederfinde. «Noch dazu mit nacktem Oberkörper!»
Vorwurfsvoll hebt er die Augenbrauen, als wäre
ich
unpassend gekleidet. «Und du, woher kommst du? Um diese Zeit!» Demonstrativ hält er mir seinen linken Arm entgegen und tippt mit spitzen Fingern auf die Rolex, als wären wir immer noch verheiratet. «Es ist fast Mitternacht.»
«Du solltest endlich deine Eitelkeit überwinden und eine Brille tragen», blaffe ich ihn genervt an und strecke ihm meine Armbanduhr unter die Nase. «Es ist kurz nach zehn! Und es ist an dir, mir zu sagen, was
du
hier zu suchen hast. Wir sind nämlich geschieden, und du bist längst ausgezogen, falls dir das entfallen ist. Deshalb geht es
mich
sehr wohl etwas an, warum du hier halbnackt rumspringst.
Dich
hingegen hat es überhaupt nicht zu interessieren, wo und mit wem ich meine Zeit verbringe.»
Selbstgefällig fährt er sich mit den Fingern durchs Haar. «Da bin ich anderer Meinung», erwidert er überheblich, als steckten wir mitten in einem unerbittlichen Rosenkrieg. «Ich habe gehört, dass du einen Verehrer hast! Ich finde das ziemlich unpassend. Immerhin bist du Mutter von drei Kin…»
«Wie bitte!?» Mein Exmann versucht mir Schuldgefühle einzureden! Vor Wut tanzen kleine Punkte vor meinen Augen. Noch so ein blöder Spruch, und ich laufe Amok.
«Papaaa! Wo bleibst du denn?», ertönt eine ungeduldige Stimme aus dem Dachgeschoss.
«Mome-heent!», ruft Volker nach oben und zischt mir zu: «Jetzt ist keine Zeit für lange Diskussionen. Charlie wartet.»
Die Küchentür wird schwungvoll aufgestoßen, und Lotte tritt heraus. Auf rosa Gummihandschuhhänden balanciert sie ein Tablett mit Gläsern, eine Flasche mit Apfelsaft und eine mit Wasser. «Was ist denn das für ein Geschrei? Seid leise, sonst weckt ihr noch die arme Marie auf.»
Irritiert wandert mein Blick von den aberwitzigen rosa Gummihänden zu den bunten Luftballons auf ihrem knielangen T-Shirt hinunter zu den buntlackierten Zehennägeln – jeder in einer anderen Farbe.
«Hallo, Liebchen!» Sie strahlt mich mit offenem Mund an und zwinkert mir übertrieben heftig zu wie eine Figur aus einem absurden Theaterstück. «Na, war’s schön mit –?»
«Ja, ja», unterbreche ich sie eilig, bevor sie auch noch verrät, dass ich John nach Hause gefahren habe. Volker würde garantiert einen bösen Kommentar dazu abgeben.
Lottes Andeutungen scheinen aber auszureichen, um Volkers Phantasie zu beflügeln. Zumindest verdüstert sich seine Miene, seine grünblauen Augen verengen sich zu Schlitzen, und die Nasenflügel beben wie bei einem zum Kampf bereiten Raubtier.
In dem Moment
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