Sie haben sich aber gut gehalten!
«Ich geh besser nachsehen.»
«Das wurde aber auch Zeit», seufze ich leise, als ich ihn die Treppen hinuntergaloppieren höre.
Schnell räume ich das Tablett zur Seite und stehe auf. Im Erdgeschoss wird immer noch rumgelärmt, doch ich bezwinge meine Neugier und gehe ins Bad. In meinem ollen Schlafshirt, mit Gammelfrisur und ungeschminkt möchte ich nämlich niemanden mehr gegenübertreten. Volkers Besuch in meinem Schlafzimmer hat meinen Bedarf in dieser Hinsicht hinlänglich gedeckt.
Unter dem heißen Wasser entspanne ich mich. Beim Haareshampoonieren sehe ich das Schlafzimmer-Intermezzo dann von der heiteren Seite.
Doch mein Duschvergnügen dauert keine drei Minuten, dann wird das warme Wasser immer kühler, bis es eiskalt aus dem Hahn läuft. Der uralte Heißwasserkessel schafft es einfach nicht, so viele Erwachsene mit ausreichend Duschwasser zu versorgen. An ein schönes heißes Bad ist zurzeit erst recht nicht zu denken. Die Kinder haben das Heißwasserreservoir unbekümmert verbraucht.
«Tolles Muttertagsgeschenk», schimpfe ich frierend, als ich das Shampoo mit kaltem Wasser ausspülen muss.
Aufgewärmt vom heißen Föhn, begebe ich mich dann nach unten, entschlossen, mir durch den kleinen Zwischenfall von vorhin und das kalte Wasser nicht den Muttertag vermiesen zu lassen. Mein Haar glänzt frisch gewaschen, ich bin dezent geschminkt und dufte nach Lottes Rosenöl. Und ich trage das Kleid, das ich gestern beim Shopping-Bummel erstanden habe.
Unten im Flur stolpere ich beinahe über einen Berg aufgestapelter Ziegelsteine und weiche zurück.
Durch die weitgeöffnete Haustür sehe ich Herberts Wagen mit offener Heckklappe vor dem Haus parken. Fabian entlädt einen Sack Zement. Direkt vor meinen Füßen lässt er ihn aufs Parkett plumpsen, was reichlich Staub aufwirbelt.
«Habt ihr die Absicht, irgendwo eine Wand einzuziehen?», frage ich und bemühe mich um einen gelassenen Tonfall.
Mein Vater drückt mir eine Plastiktüte in die Hand, murmelt: «Die Wäsche … hab ich gestern vergessen», und sucht das Weite.
Fabian angelt ein verschmutztes Taschentuch aus seiner Hose, die auf Höhe der Knie abgeschnitten wurde, wischt sich den Schweiß von der Stirn und strahlt mich mit frechem Lausbubengrinsen an. «Tatatata: dein Muttertagsgeschenk!»
Einen Augenblick lange hoffe ich, mich verhört zu haben. Doch dann kapiere ich. «Scherzkeks!» Lachend fahre ich meinem Sohn durchs Haar. «Beinahe wäre ich dir auf den Leim gegangen. Also jetzt raus damit, was wollt ihr mit dem Zeug? Und wieso schleppt ihr mir am Sonntag so viel Dreck ins Haus? Ich wollte mich heute eigentlich mal ausruhen und nicht schon wieder den Putzlappen schwingen.»
Inzwischen hat mein Vater eine wunderschöne weißblühende Hortensie aus dem Wagen geholt. «Wo ist Lotte?»
Aus der Küche kommt ihre Stimme. «Wir sind hi-ier!»
Eilig verzieht sich Herbert mit dem Blumentopf, und ich wende mich wieder Fabian zu. «Was geht hier vor?»
Liebevoll legt er seinen Arm um mich. «Eine Überraschung für den Garten, Mama. Und bitte entschuldige den Dreck, aber die Gartentür war von einem Auto zugeparkt, und weil das alles auf die Terrasse muss, ist der Weg über den Flur eben der kürzeste. Ich mach später alles wieder sauber. Großes Ehrenwort.»
Ich atme tief durch und bemühe mich, meine Enttäuschung zu verbergen. «Ich dachte … du renovierst den Gartenpavillon!?»
«Wie kommst du denn darauf?», fragt er. «Das hier wird etwas viel Schöneres. Und du hast es dir schon immer gewünscht.»
«Einen Kubikmeter Ziegel und einen Sack Zement?» Pikiert starre ich auf den Steinhaufen und den Dreck, kann mir aber beim besten Willen nichts darunter vorstellen, und schon gar nichts
Schönes
. «Ich kann mich auch nicht erinnern, mir jemals Steine gewünscht zu haben.»
«Rate!»
Fabian liebt diese albernen Ratespielchen – ich nicht. Doch wenn ich nicht mitmache, fängt er an zu betteln, und schlussendlich gebe ich dann doch nach.
«Also gut», sage ich, um den Vorgang abzukürzen. «Ein Anbau für unsere rapide wachsende Familie wäre durchaus praktisch. Aber mit den paar Steinen kann man ja nicht mal das Fundament bauen.» Kaum hab ich es ausgesprochen, befürchte ich, mein Verdacht könnte sich bewahrheiten. «Oder kommt noch eine Ladung?»
Mein Sohn schüttelt den Kopf. «Nein, alles falsch. Aber ich will dir einen Tipp geben: Essen!»
Ich grüble angestrengt nach. Und dann keimt in mir ein schrecklicher Verdacht. «Etwa
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