Sie haben sich aber gut gehalten!
bekannt. «Ich nehme meinen Wagen. Eventuell bleibe ich nach dem Essen nämlich in der Stadt, und Lotte fährt bei mir mit. Wo ist sie übrigens?»
«Sie muss jeden Moment hier sein», antworte ich. «Sie wusste nicht, was sie in ein so feines Restaurant anziehen soll.» Die Bemerkung, dass sie in jedem ihrer Paradiesvogel-Gewänder unübersehbar ist, spare ich mir lieber, sonst bekomme ich noch Streit mit ihm.
«Ich werde nachsehen, ob sie Hilfe braucht.» Entschlossen marschiert mein Vater die Treppe hinauf.
Wir anderen verlassen das Haus und begeben uns zu den Autos. Charlie, Marie und Fabian sitzen bereits in Volkers Mercedes. Der steht einsteigebereit auf der Fahrerseite und trommelt nervös mit den Fingern auf dem Wagendach. Nichts hasst er so sehr, wie sich gedulden zu müssen. In seiner Welt wartet man auf ihn.
«Warum fährst du nicht schon mal los», schlage ich vor. «Du könntest für uns Getränke –» Ich stocke, weil mir Johns Wagen am Straßenrand auffällt.
Er hat ihn also noch nicht abgeholt. Offensichtlich ist er mit Wichtigerem beschäftigt. Aber es gelingt mir, den Gedanken an ihn zu vertreiben. Denn ein dröhnendes Motorheulen lenkt meine Aufmerksamkeit jetzt zur Straßenecke. Ein monströser, schwarzer Geländewagen mit dunkelgetönten Scheiben biegt um die Ecke und hält knapp hinter meinem Wagen. Der Fahrer lässt den Motor nochmal lautstark aufheulen, bevor er ihn abschaltet.
Gespannt richten sich alle Augen auf das schwarze Monster – aus dem meine Tochter und wenige Sekunden später ein breitschultriger Mann um die dreißig steigen. Der muskulöse, mindestens eins neunzig große Fahrer hat nicht ein Haar auf dem Kopf. Der kahle Schädel ist mit Tattoos verziert, Ohren und Hände sind mit schweren Silberringen geschmückt. Auf der Brust prangt eine dicke Silberkette, an der ein Dollarzeichen baumelt. Er könnte einer dieser Bodyguards sein, die man im Fernsehen in Begleitung amerikanischer Popstars sieht. Bevor ich den Eindruck verdaut habe, eilt Juliane mit ausgestreckten Armen auf mich zu.
«Schönen Mamatag!», kichert sie und umarmt mich.
«Danke, mein Schatz.» Ich drücke sie fest an mich, und erst als sie sich wieder löst, fällt mir auf, wie blass sie ist. «War wohl eine lange Party-Nacht?»
Sie übergeht meine Bemerkung, zupft lediglich ihr zerknittertes Kleid zurecht und sieht mich dann fragend an. «Das Empfangskomitee ist aber nicht für uns, oder?» Sie deutet auf ihren Begleiter, der am Wagen geblieben ist. «Ich hab nämlich Mozart mitgebracht!»
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M ozart?», frage ich ungläubig. Aber ich verkneife mir jeglichen Kommentar. Meine Kinder durften immer alle Freunde nach Hause mitbringen. Besonders bei meiner Tochter war es mir stets wichtig, sie in meiner Nähe zu wissen und ein wenig Kontrolle zu haben. Bisher gehörten allerdings eher die gutaussehenden Jungs zu Julianes Favoriten. Mozart weckt bei mir eher die Assoziation: die Schöne und das Biest!
Sein extravagantes Aussehen lässt auch Charlie, Marie und Fabian staunen, die bei der Ankunft des schwarzen Wagens wieder ausgestiegen sind. Volker ringt sichtbar um Fassung – was bei ihm selten vorkommt. Er vergisst sogar sein ungeduldiges Trommeln und starrt den Glatzkopf nur entsetzt an. Ich kann ihm seine Panik förmlich ansehen. Das ist wahrhaftig nicht der Mann, den er sich für seine einzige Tochter wünscht.
Juliane winkt Mozart zu sich. «Sei nicht so schüchtern, komm her», fordert sie ihn auf.
Als der schwarzgekleidete Mann auf uns zuschreitet, mustere ich ihn unauffällig. Soweit ich es erkenne, zieren seinen blanken Schädel eintätowierte Noten. Ich überlege, ob sie
Eine kleine Nachtmusik
ergeben. Als er vor mir steht, lese ich auf seinem rechten Arm das eintätowierte Wort
Mozart
. Und auf dem T-Shirt unter seiner Lederweste verkündet ein weißer Aufdruck:
Der tut nix!
Ich muss lachen.
«Mama, das ist Mike Mozart», stellt Juliane ihn mir vor, deutet auf mich und sagt: «Meine Mutter.»
Der baumlange Glatzkopf nimmt seine schwarze Sonnenbrille ab, streckt mir die Hand entgegen und sagt mit dunklem Bassbariton: «Eigentlich Michael Huber. Mike Mozart ist mein Künstlername.»
Bergseeklare grünblaue Augen sehen mich freundlich an. Seinen weichen Mund umspielt ein schüchternes Lächeln.
Der
tut bestimmt nix!, resümiere ich. Und soweit ich das beurteilen kann, steckt in diesem schwarzgekleideten
Biest
ein sanfter, etwas unsicherer Kuschelbär.
«Freut mich,
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