Sie haben sich aber gut gehalten!
dass sie sich im Geiste längst mit meinem Vater im Hotelzimmer vergnügt. Auch Juliane und Mozart grinsen, nachdem wir sie aufgeklärt haben. Nur Volker scheint meinen Scherz überhaupt nicht angebracht und schon gar nicht komisch zu finden. Er entschuldigt sich kurz zum Händewaschen.
Kaum ist unser Miesepeter abgezogen, fragt Lotte unseren ungewöhnlichen Gast aus. «Sie sehen so aus, als hätten Sie einen interessanten Beruf?»
Mozart nickt verbindlich und liefert uns einen Kurzbericht seiner Tätigkeit und der Firma.
Lotte ist hellauf begeistert. Schwärmerisch verdreht sie die blaugeschminkten Augen. «Discjockeys waren zu meiner Zeit die Helden der Nacht. Da gab es ein Nachtlokal in Schwabing …»
Lottes Hippie-Erinnerungen werden von Volkers Rückkehr unterbrochen. Freudestrahlend blickt er mich an, beugt sich zu mir und flüstert: «Weißt du, wen ich auf dem Weg zur Toilette getroffen habe?»
«Einen Patienten?», tippe ich. Immerhin praktiziert er seit fünfundzwanzig Jahren, da begegnet er vermutlich auch am Nordpol jemandem aus der unübersichtlich großen Patientenschar.
«Herrn Ansbach!»
Im ersten Moment glaube ich, mich verhört zu haben. «Unseren Makler?», vergewissere ich mich.
«Genau den», bestätigt Volker und reibt sich die Hände. «Er sitzt draußen an der kleinen Bar. Habt ihr ihn beim Reinkommen nicht gesehen?»
«Nein, er kam wohl nach uns», antworte ich.
Volker mustert mich prüfend, als glaube er mir nicht. «Ich hätte ihn ja gerne an unseren Tisch gebeten, aber er ist in weiblicher Begleitung! Warum gehst du nicht kurz raus, ihn begrüßen.»
«Ah, das ist bestimmt seine Mutter», sage ich leichthin, und ich hoffe sehr, dass sie noch lebt und bei bester Gesundheit ist.
«Nein, das kann ich mir nicht vorstellen», antwortet Volker mit spöttischem Blick. «Dem Altersunterschied nach könnte sie eher seine Tochter sein.»
Seine Tochter? Ich sehe wieder die peinliche Szene in Johns Wohnung vor mir. Und mir ist, als schließe sich eine unsichtbare Hand um meinen Hals, die mir langsam die Luft abdrückt.
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21
I m ersten Impuls will ich an die Bar marschieren, um mich selbst zu überzeugen. Volker hat sich das bestimmt nur ausgedacht. Was sollte John auch in einem Hotel zu suchen haben? Oder hat er tatsächlich eine Geliebte, mit der er sich mangels eigenem Bett in einer noblen Suite vergnügen will?
Doch gerade als ich aufspringen will, servieren zwei Kellner das Sauerampfersüppchen wie Cappuccino in dünnwandigen weißen Porzellantassen.
Erleichtert atme ich auf. Zumindest für die Dauer der Vorspeise bleibt mir eine letzte Galgenfrist. Aber wenn mir keine glaubwürdige Ausrede einfällt, warum ich John nicht begrüßen sollte, wird mir der steinige Weg nicht erspart bleiben.
«Papa, können wir noch Brot bekommen?» Fabian schnappt sich das letzte Stück Baguette aus dem silbernen Brotkorb. «Ich werde sonst nicht satt. Das Süppchen ist was für Püppchen.»
Marie legt ihren Löffel zur Seite. «Ich finde es sehr lecker.» Anmutig tupft sie sich den Mund mit der Serviette ab. «Und genau die richtige Menge. Wenn ich zu viel esse, bekomme ich nur Sodbrennen.» Sie hält sich die Hand vor den Mund und stöhnt dezent auf.
Charlie lächelt seine Freundin liebevoll an, räumt aber leise ein, dass er auch noch eine Portion verdrücken könnte.
«Du kannst meinen Nachtisch haben», bietet Marie ihm daraufhin an.
Beim Anblick der beiden Verliebten seufze ich heimlich und rühre lustlos in meiner Suppe.
«Schmeckt es dir nicht?», fragt Lotte, die direkt neben mir sitzt.
Ich nicke abwesend und starre ratsuchend in das Tässchen. Wer war nur auf die Schnapsidee mit dem Mittagessen im Hotel gekommen? Ach ja: Volker! Eigenmächtig hat er die ganze Sache arrangiert. Ob er wusste, dass John hier sein würde? Besitzergreifend, wie Volker ist, traue ich ihm so eine Gemeinheit durchaus zu. Genau aus diesem Grund habe ich ihm auch nichts von meiner damaligen Beziehung mit John erzählt. Nur Lotte wusste … Moment! Ist sie vielleicht die Verräterin?
Ich mustere sie aus den Augenwinkeln und überlege, ob ich sie drauf ansprechen soll.
«Lotte!» Ich gebe ihr einen kleinen Seitenschubs.
Lotte deutet die Signale mal wieder nach ihrem Gusto. «Die Flasche ist leider schon leer, Liebchen», kichert sie, fordert ihren Sohn am Tischende auf, noch Wein zu bestellen, und liefert ihm auch gleich die Begründung. «Muttertag ist ein triftiger Anlass für ein
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