Sie kam, sah und liebte
Verteidigers Lynch abprallte und hinter Luc ins Netz ging. Am Ende des letzten Drittels war der Spielstand drei zu eins, und Jane atmete erleichtert auf. Die Chinooks hatten gewonnen. Sie war kein Unglücksbringer. Zumindest nicht an diesem Tag. Wenn sie morgen aufstand, würde sie noch in Lohn und Brot sein.
Sie sah ihren ersten Auftritt im Umkleideraum der Chinooks wie einen abscheulichen Farbfilm vor ihrem inneren Auge ablaufen, und ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft, als sie eintrat. Die anderen Reporter befragten bereits den Mannschaftskapitän Mark Bressler, der vor seiner Nische stand und Auskunft gab.
»Wir haben ein gutes Spiel geliefert«, sagte er, während er sich das Trikot über den Kopf zog. »Wir haben Überzahlspiele genutzt und den Puck ins Netz gedonnert. Das Eis war heute Abend weich, aber das hat unser Spiel nicht beeinträchtigen können. Wir wussten, was wir zu tun hatten, und wir haben es getan.«
Ohne den Blick von seinem Gesicht zu lösen, tastete Jane in ihrer Tasche nach dem Kassettenrekorder. Sie hob die Notizen, die sie während des Spiels gemacht hatte, vor ihre Augen. »Eure Verteidigung hat zweiunddreißig Schüsse aufs Tor durchgelassen«, meldete sie sich zwischen den anderen Fragen zu Wort. »Wollen die Chinooks einen bewährten Verteidiger akquirieren, bevor am 19. März das Austauschultimatum abläuft?« In ihren Augen war es eine ziemlich tolle Frage. Insidermäßig geradezu.
Mark sah sie durch die anderen Reporter hindurch an und sagte: »Die Frage kann nur Nystrom beantworten.«
Also doch nicht so insidermäßig.
»Du hast heute Abend das dreihundertachtundneunzigste Tor deiner Karriere erlebt. Wie fühlt man sich da?«, fragte sie. Das wusste sie nur, weil sie die Fernsehreporter in der Presseloge darüber hatte reden hören. Sie hoffte, dem Kapitän mit ein wenig Schmeichelei eine Stellungnahme entlocken zu können.
»Gut.«
Tolle Stellungnahme.
Sie drehte sich um und strebte an einer Reihe übermächtig erscheinender Männer auf Nick Grizzell zu, der das erste Tor geschossen hatte. Wie auf ein Stichwort fielen lange Unterhosen, wurden Suspensorien abgeschnallt, als sie vorüberging. Sie hielt den Kopf hoch und den Blick geradeaus gerichtet, während sie ihren Kassettenrekorder einschaltete und die Fragen der anderen Reporter aufnahm. Bei der Times würde ja keiner wissen, dass nicht sie diese Fragen gestellt hatte.
Grizzell war erst vor einer Woche nach einer Verletzung ins Team zurückgekehrt, und sie fragte ihn: »Was ist das für ein Gefühl, wenn man gerade erst wieder im Spiel ist und gleich das erste Tor schießt?«
Er sah sie über die Schulter hinweg an und ließ sein Suspensorium fallen. »Prima.«
Jane hatte genug von diesem Unsinn. »Toll«, sagte sie. »Ich werde deine Antwort zitieren.«
Sie sah zu einer wenige Schritte entfernten Nische hinüber und entdeckte Luc Martineau, der sie auslachte. Ausgeschlossen, dass sie zu ihm ging und ihn fragte, was es denn zu lachen gab.
Sie wollte es gar nicht wissen.
5. KAPITEL
Eierlauf: Wenn der Puck den Tiefschutz trifft
Jane lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, schob die Brille ins Haar und blickte auf den Monitor ihres Laptops. Sie las, was sie bisher geschrieben hatte:
SEATTLE SETZT DIE KINGS SCHACHMATT
Die Chinooks aus Seattle toppten alle sechs Überzahlspiel-Chancen der Los Angeles Kings, und Goalie Luc Martineau hielt dreiundzwanzig Torschüsse in einem Drei-zu-eins-Sieg über die Kings. Die Kings setzten in den letzten paar Spielsekunden noch einen Puck ins Netz, als ein Irrläufer vom Handschuh des Seattle-Spielers Jack Lynch abprallte und ins Netz der Chinooks traf.
Die Chinooks boten auf dem Eis ein schnelles, furchtloses Spiel und machten dem Gegner mit Geschick und roher Gewalt schwer zu schaffen. Im Umkleideraum erweckten sie den Anschein, als wollten sie den Journalisten schwer zu schaffen machen, indem sie die Hosen runterließen. Ich persönlich weiß von mindestens einem Reporter, der ihnen liebend gern in die Eier getreten hätte.
Den letzten Absatz löschte sie wieder. Sie war erst seit sechs Tagen dabei, erinnerte sie sich. Die Spieler waren argwöhnisch und abergläubisch. Sie waren der Meinung, Jane sei ihnen aufgezwungen worden, und sie hatten Recht: Sie war ihnen aufgezwungen worden. Aber jetzt war es an der Zeit, dass sie darüber hinwegkamen, damit sie ihre Arbeit verrichten konnte.
Sie musterte verstohlen die schnarchenden Spieler im Mannschaftsjet. Wie
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