Sie kam, sah und liebte
Barspiegel. Es roch nach Zigarettenrauch und Bier, Grillsoße und Grillfleisch. Da sie schon gegessen hatte, reagierte ihr Magen nicht.
Jane wusste, dass sie, wenn sie mit Darby gesehen wurde, das Risiko einging, dem Gerücht über ihre Liebschaft mit ihm neue Nahrung zu geben, aber sie wusste auch, dass sie ohnehin nichts dagegen unternehmen konnte. Und sie fragte sich, was schlimmer war: für die Geliebte eines Mannes gehalten zu werden, der sich wie ein Lude kleidete, oder für die Geliebte von Virgil Duffy, einem Mann, der ihr Großvater sein könnte.
Flipperautomaten klingelten und blinkten, und in einer Ecke entdeckte sie zwei Chinooks, die Lufthockey spielten. Etwa fünf Spieler aus Seattle saßen an der Theke und verfolgten einen Kampf zwischen den Rangers und den Devils auf dem Monitor. Ein weiteres halbes Dutzend saß vor Bierkrügen, leeren Krautsalatschüsseln und Haufen von Fred-Feuerstein-großen abgenagten Rippchen an einem Tisch.
»Hallo, Jungs«, rief Darby. Als sie seine Stimme hörten, wandten sich alle Darby und Jane zu. Die Hockeyspieler sahen aus wie Höhlenmenschen, die gerade ein großes Wollmammut verspeist hatten, satt und zufrieden und träge, aber sie waren anscheinend nicht sonderlich erfreut über Darbys Erscheinen und noch weniger über ihres.
»Jane und ich hatten Lust auf ein Bier«, fuhr er fort, als würde er ihre Ablehnung nicht bemerken. Er rückte Jane einen Stuhl zurecht, und sie setzte sich neben Bruce Fish, dem Neuling mit dem blonden Irokesenschnitt gegenüber. Darby saß links von ihr am Kopf des Tisches. Die roten Flammen und violetten Totenköpfe auf seinem Hemd wurden vom trüben Licht ein wenig gedämpft.
Eine Kellnerin in einem Big-Buddy’s-T-Shirt legte zwei Cocktailservietten auf den Tisch und nahm Darbys Bestellung auf. Kaum hatte er das Wort Corona geäußert, wurde er auch schon aufgefordert, sich auszuweisen. Er zog finster die Brauen zusammen und präsentierte seinen Führerschein.
»Der ist gefälscht«, sagte jemand weiter unten am Tisch. »Er ist erst zwölf.«
»Ich bin älter als du, Peluso«, knurrte Darby und steckte seinen Führerschein wieder ein.
Die Kellnerin wandte sich an Jane.
»Wetten, sie bestellt eine Margarita?«, sagte Fishy aus dem Mundwinkel.
»Oder einen gespritzten Wein«, merkte ein anderer an.
»Etwas Fruchtiges.«
Jane blickte in das überschattete Gesicht der Kellnerin. »Haben Sie Bombay-Sapphire-Gin?«
»Klar.«
»Prima. Ich hätte gern einen Martini mit drei Oliven, bitte. « Sie betrachtete die verdutzten Gesichter um sich herum und lächelte. »Ein Mädchen muss darauf achten, dass es jeden Tag sein Quantum an Grünzeug kriegt.«
Bruce Fish lachte. »Dann solltest du dir vielleicht noch eine Bloody Mary bestellen, wegen des Selleries.«
Jane zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf. »Ich mag keinen Tomatensaft.« Sie blickte über den Tisch hinweg Daniel Holstrom an. Die Leuchtreklame über der Theke warf einen rötlich-pinkfarbenen Schein über seinen weißblonden Irokesenschnitt. Jane hätte gern gewusst, ob der Frischling schon einundzwanzig war. Sie bezweifelte es.
Zwei weitere Kellnerinnen in Big-Buddy’s-T-Shirts tauchten auf, räumten das benutzte Geschirr ab und wischten den Tisch sauber. Jane rechnete beinahe damit, dass die Jungs mit ihnen flirten und ihnen unanständige Avancen machen würden – harte Kerle waren berüchtigt für ihr grobes Benehmen Frauen gegenüber –, aber nichts dergleichen geschah, abgesehen von einem höflichen »Danke« hier und da. Um Jane herum und über ihren Kopf hinweg ging die Unterhaltung weiter und beschäftigte sich mit nichts Wichtigerem oder Dringenderem als dem letzten Film, den man gesehen hatte, und dem Wetter. Jane fragte sich, ob sie versuchen wollten, sie zu Tode zu langweilen. Sie hatte den Verdacht, dass genau das ihre Absicht war, und es wäre keineswegs gelogen, wenn sie gesagt hätte, dass das Spiel des Lichts auf Daniels Skalp das Interessanteste in der Runde war.
Bruce war anscheinend aufgefallen, wie aufmerksam sie den Kopf des jungen Schweden betrachtete, denn er fragte: »Wie findest du die Frisur von unserem Stromster?«
Sie glaubte zu sehen, wie Daniels Wangen sich passend zum rosa Schimmer seines Haars röteten. »Ich mag Männer, die sich in ihrer Männlichkeit so sicher fühlen, dass sie sich trauen, anders zu sein.«
»Er hatte kaum eine andere Wahl«, erklärte Darby, während sein Bier und Janes Martini serviert wurden. »Er ist dieses
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