Sie kam, sah und liebte
den Blick auf ihre Schuhe. »Was ist daran auszusetzen ?«
Zum ersten Mal an diesem Abend entschloss sich der Stromster, das Wort zu ergreifen. »Mann-Schuh«, sagte er.
»Männerschuhe?« Sie sah in sein junges Gesicht. »Nachdem ich vorhin deinen Irokesenschnitt verteidigt habe, hätte ich Besseres von dir erwartet, Daniel.« Er wandte den Blick ab und schien sich plötzlich brennend für etwas an der gegenüberliegenden Wand zu interessieren.
Luc trat vor die Scheibe und holte achtundvierzig Punkte. Als Jane wieder an der Reihe war, wechselten die Jungs an den Seitenlinien sich mit Lästereien ab. Die Unterhaltung nahm eindeutig politisch unkorrekte Formen an, als sie sich darauf einigten, dass sie stets dunkle Farben trug, weil sie Depressionen wegen ihrer lesbischen Veranlagung hatte.
»Ich bin nicht lesbisch«, beharrte sie. Sie war ein Einzelkind und war nicht mit Jungen groß geworden, abgesehen von ihrem Vater, versteht sich, aber der zählte nicht. Ihr Vater war ein ernster Mann, der sich nie einen Scherz erlaubte. Mit dieser Art von Witzen hatte Jane keinerlei Erfahrung.
»Schon gut, Schätzchen«, beschwichtigte Luc sie. »Wenn ich ein Mädchen wäre, wäre ich auch lesbisch.«
Jane sah nur eine Alternative. Entweder ließ sie sich ärgern und reagierte empört, oder sie entspannte sich. Sie war Journalistin, eine Frau, die mitten im Berufsleben stand. Sie reiste nicht mit dem Team durch die Gegend, um sich mit den Jungs anzufreunden, und schon gar nicht, um sich auf den Arm nehmen zu lassen, als gingen sie alle noch zur High School. Doch die berufsmäßige Herangehensweise hatte bisher nicht geklappt, und sie stellte fest, dass die Lästereien ihr besser gefielen als die Nichtbeachtung. Außerdem nahmen diese Typen männliche Reporter bestimmt genauso auf die Schippe. »Du bist ja auch eine Diva«, sagte sie.
Luc lachte leise, und endlich brachte sie auch die anderen zum Lachen. Während des restlichen Spiels bemühte sie sich, genauso auszuteilen, wie sie einstecken musste, doch die Jungs beherrschten dieses Spiel viel besser als sie und hatten jahrelange Übung darin. Am Ende hatte sie Luc um beinahe zweihundert Punkte geschlagen, aber die Redeschlacht hatte sie verloren.
Irgendwie war sie während all dieser Scherze und Lästereien doch ein wenig in der Achtung der Spieler gestiegen. Auf ihre Meinung hinsichtlich ihrer Kleidung, Schuhe und Frisur hätte sie gut verzichten können, aber immerhin redeten sie nicht mehr nur übers Wetter, gaben nicht mehr nur einsilbige Antworten oder straften sie mit Nichtbeachtung. Ja, es war eindeutig ein Fortschritt.
Vielleicht sprachen sie nach dem Spiel morgen Abend dann tatsächlich mal mit ihr. Sie erwartete nicht, dass alle Spieler nun zu guten Kumpels wurden, aber vielleicht machten sie es ihr im Umkleideraum nicht mehr gar so schwer. Vielleicht gaben sie ihr ein Interview, ließen sie in Ruhe und behielten ihre Unterhosen an, wenn sie vorbeiging.
Hinter seinem Visier sah Luc den Puck nach dem Einwurf kreiseln. Bressler hieb den Puck vom Anspielpunkt, und die Schlacht zwischen Seattle und San Jose nahm ihren Lauf.
Luc bekreuzigte sich, um sein Glück zu beschwören, doch zehn Minuten nach Beginn der ersten Spielzeit verließ es ihn. Teemu Selanne, der Rechtsaußen der Sharks, schlug den Puck an, und er knallte ins Netz. Es war ein leichtes Tor. Eines, das Luc hätte halten können, und daraufhin schienen sämtliche Sicherungen durchzubrennen. Nicht nur bei Luc, sondern beim gesamten Team.
Am Ende der ersten Spielzeit mussten zwei Chinooks genäht werden, und Luc hatte vier Tore durchgehen lassen. Nach den ersten zwei Minuten der zweiten Spielzeit wurde Grizzell mitten auf dem Eis böse gefoult. Er stürzte schwer und stand nicht wieder auf. Er musste vom Eis getragen werden. Zehn Minuten später rutschte Luc der Puck aus dem Handschuh, und die Sharks verzeichneten ihr fünftes Tor. Coach Nystrom gab Handzeichen, nahm Luc aus dem Netz und ersetzte ihn durch den Goalie der zweiten Reihe.
Der Weg von den Pfosten zur Bank ist der längste, den ein Torhüter in seinem Leben zurücklegen kann. Jeder Goalie hat mal einen schlechten Tag, doch für Luc Martineau bedeutete es viel, viel mehr. Diesen Weg hatte er während seiner letzten Saison in Detroit zu oft gemacht, um die Gefahr nicht wie ein Damoklesschwert über sich hängen zu sehen. Er hatte seine Konzentration verloren, hatte nicht in sich geruht. Statt den Schlag vorauszusehen, bevor er kam,
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