Sie kam, sah und liebte
hinkte er eine Sekunde hinterher. War’s das? Das erste vermasselte Spiel auf dem Weg den Bach runter? Ein Ausreißer oder das erste Aus in einer Reihe von weiteren? Der Anfang vom Ende?
Böse Vorahnungen und eine sehr reale Angst, die er nicht einmal sich selbst eingestehen wollte, verursachten ihm ein Gefühl der Enge in der Brust und bissen ihn in den Nacken. Er spürte es, als er auf der Bank saß und den Rest des Spiels verfolgte.
»Jeder hat mal einen schlechten Tag«, tröstete Coach Nystrom ihn im Umkleideraum. »Letzten Monat hat es Roy erwischt. Mach dir deswegen keine Sorgen, Luc.«
»Wir haben heute Abend alle miserabel gespielt«, sagte Sutter.
»Wir hätten dein Tor besser sichern müssen«, fügte Bressler hinzu. »Wenn du im Netz stehst, vergessen wir manchmal, in die Bresche zu springen und dich zu schützen.«
Luc selbst machte es sich nicht so leicht. Er war nicht der Typ, der anderen die Schuld zuschob, und betrachtete allein sich selbst als verantwortlich für sein Spiel.
Als die Maschine in San Francisco startete, saß er in der dunklen Kabine und durchlebte noch einmal seine Vergangenheit, keineswegs nur die guten Zeiten. Den schrecklichen Schlag gegen die Knie, die Operationen und die monatelange Zeit der Rehabilitation. Seine Abhängigkeit von Schmerzmitteln, die grauenhaften körperlichen Schmerzen und die Übelkeit, die ihn beutelten, wenn er die Sucht nicht befriedigen konnte. Und letztendlich seine Unfähigkeit, das Spiel zu spielen, das er liebte.
Auf dem Weg nach Hause saß ihm die Angst vor dem Versagen im Nacken, redete ihm ein, er hätte seinen Schneid verloren. Jane Alcotts matt schimmernder Monitor und das Klicken ihrer Tastatur teilten ihm mit, dass bald schon die ganze Welt darüber informiert sein würde. Im Sportteil würde er ihren Bericht über die Katastrophe dieses Abends lesen können.
Auf dem Flughafen Seattle angekommen, machte Luc sich auf den Weg zu den Langzeitparkplätzen und sah aus den Augenwinkeln, wie Jane ihren Kram in einen Honda Prelude stopfte. Sie hob den Blick, als er vorüberging, doch keiner von ihnen sagte ein Wort. Sie machte nicht den Eindruck, als bräuchte sie seine Hilfe beim Verladen ihres schweren Koffers, und außerdem hatte er dem Erzengel der Verdammnis und Trübseligkeit nichts zu sagen.
Ein leichter Sprühregen nässte die Windschutzscheibe seines Landcruisers auf dem dreiviertelstündigen Weg in die Innenstadt von Seattle. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal so aufs Heimkommen gefreut hatte.
Mondschein ergoss sich durch die zwei Meter hohen Fenster in seinem Wohnzimmer, als Luc die dunkle Wohnung betrat. Das Licht über dem Herd brannte noch und fiel auf einen FedEx-Umschlag auf der Arbeitsplatte. Luc ging ins Schlafzimmer und schaltete das Licht ein. Er ließ die Tür einen Spaltbreit offen und warf seine Tasche vor dem Bett auf den Boden. Dann zog er den Blazer aus und hängte ihn neben seinen Kleidersack in den Schrank. Auspacken würde er morgen. Im Augenblick war er nur müde und froh, wieder zu Hause zu sein, und er wünschte sich nichts dringlicher, als sich einfach ins Bett fallen zu lassen.
Er löste gerade seinen Krawattenknoten, als Marie an die Tür klopfte und sie dann vollends öffnete. Sie trug eine Flanellpyjamahose mit Kordeldurchzug und ein Britney-Spears-T-Shirt; sie sah aus wie eine Zehnjährige.
»Luc, ich muss dir was erzählen!«
»Hallo erst mal.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. Mitternacht war schon vorbei; was auch immer sie erzählen wollte, es konnte offenbar nicht bis zum Morgen warten. Er fragte sich, ob sie es seit ihrem letzten Telefongespräch womöglich geschafft hatte, von der Schule gewiesen zu werden. Beinahe hatte er Angst zu fragen. »Was gibt’s?«
Ihre großen blauen Augen leuchteten auf, und sie lächelte. »Ich bin zum Tanz eingeladen worden.«
»Was für ein Tanz?«
»Zu dem Tanzabend in der Schule.«
Er zerrte an seinem Krawattenknoten und dachte an den FedEx-Umschlag in der Küche. Darum würde er sich morgen kümmern. »Wann findet der statt?«
»In ein paar Wochen.«
In ein paar Wochen wohnte sie vielleicht schon nicht mehr bei ihm. Aber das brauchte sie jetzt noch nicht zu wissen. »Wer hat dich eingeladen?«
Ihre Augen strahlten noch heller, und sie kam weiter ins Zimmer hinein. »Zack Anderson. Er ist in der Oberstufe.«
Scheiße.
»Er spielt in einer Band! Er trägt einen Ring in der Lippe und hat sich die Nase und die Augenbrauen piercen
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