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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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entdeckt, sie waren im Palast … Pelagia wandte sich um und rannte. Ihre Sandalen hämmerten auf den Mosaikfußböden. Die Verfolger kamen immer näher. Ihre Stimmen hatten nichts Menschliches mehr. Sie schnüffelten, knurrten und bellten. Wilde Hunde! Der ganze Palast war voll davon. Ausgehungerte Hunde, die ihre Beute hetzten. Sie waren hinter ihr her, hatten schon Witterung aufgenommen …
    In diesem Augenblick war Pelagia schreiend aufgewacht, doch ohne den laut neben ihr schnarchenden Mizizios zu wecken. Wenn er getrunken hatte, konnte kaum etwas seinen Schlaf stören. Sie hatte ihr Herz pochen gefühlt und war sich mit einem Schlag unendlich einsam vorgekommen. In dem Albtraum war ihr Geliebter nicht gekommen, um sie zu retten. Was bedeutete das?
    Pelagia spürte eine Berührung und öffnete die Augen. Vor ihr stand eine gebeugte, in Lumpen gehüllte Frau, die Hand ausgestreckt. »Bitte, Herrin … ich habe seit Tagen nichts mehr gegessen!«
    Pelagia schrak zurück. Sie ekelte sich vor den schmutzverkrusteten Fingern, den rot entzündeten Augen, dem zahnlosen Mund und den weißen, verfilzten Haaren. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und geflohen. Doch obwohl sie das Weib widerlich fand, zwang sie sich, aus ihrer Börse eine Kupfermünze herauszufischen. Sie war frisch geprägt – in Syrakus, wohl aus den Dachziegeln des Pantheons oder aus einer der Statuen, die der Kaiser einst aus Rom hatte wegschleppen lassen. Auf der Vorderseite starrte sie das Bild des bärtigen Konstans finster an, während auf der Rückseite ein großes M den Wert markierte. Vierzig Nummi – ein ganzer Follis, dachte sie, viel zu viel. Aber sei's drum. Sie ließ die Münze in die aufgehaltene Hand fallen und beeilte sich, fortzukommen, da ihr die Dankesbezeugungen der Alten peinlich waren.
    Unvermittelt fiel ihr der Sohn des Korallentauchers wieder ein, und sie fragte sich, wie es ihm wohl ergehen mochte. Mit dem Beutel voll Gold in der Hand, den ihr der Kaiser nach ihrem Tanz zugeworfen hatte, war sie über die Sklavenmärkte gezogen. Vergeblich, der Junge blieb verschwunden, und Pelagia hasste den Kaiser von ganzem Herzen für die Härte, mit der seine Steuereintreiber das Land ausplünderten.
    Sie beschloss, umzukehren und auf Mizizios zu warten, der bald zurück sein müsste. Doch diesmal ließ sich ihr Geliebter Zeit, und als er endlich im Raum stand, schien er keinen Sinn für Zärtlichkeiten zu haben. Mit gerunzelter Stirne ließ er sich in einen Sessel fallen und starrte aus dem Fenster. Ab und zu strich er sich mit der Hand über das glattrasierte Kinn, atmete tief ein, schien etwas sagen zu wollen.
    »Was ist geschehen?« Pelagias Herz klopfte. »Willst du nicht mit mir darüber reden?«
    Mizizios schüttelte langsam den Kopf. »Ich kann nicht. Bring mir Wein!«
    Pelagia war enttäuscht, tat aber, wie ihr geheißen. Schließlich konnte sie ihm entlocken, dass der Kaiser einen Feldzug plante. Heute Abend würden einige Mitglieder des Hofes zu Mizizios kommen.
    »Du darfst auf keinen Fall hier sein, das wäre zu gefährlich«, ordnete er an, doch warum, das sagte er nicht. »Du wolltest doch schon lange mal wieder diesen Juwelier besuchen«, fügte er hinzu. »Geh hin und such dir einen Ring aus!«
    Pelagia nickte stumm und ließ sich nicht anmerken, wie unzufrieden sie war. »Ich muss noch etwas erledigen und bin ein, zwei Stunden unterwegs«, entgegnete sie bloß.
    Mizizios nickte geistesabwesend und griff wieder zum Becher.
    Pelagia verließ den Raum, nahm den Hausschlüssel, winkte ab, als Paulos die Sänfte rufen wollte und ging auf die Straße. Sie kannte einen Schmied, der sich auf Schlösser und feine Schlüssel spezialisiert hatte. Nach zwei Stunden war sie wieder zurück. Inzwischen schien Mizizios gelöster, zog sie ins Bett, und so holten sie nach, wofür am Morgen keine Zeit gewesen war.
    ***
    Als die Sonne sich dem Horizont näherte, klopfte der erste Besucher. Pelagia öffnete, doch sogleich stand Mizizios hinter ihr. »Du wolltest doch noch spazieren gehen«, bemerkte er mit gespielter Beiläufigkeit. »Lass den Hausschlüssel hier. Wir machen dir später auf. Paulos habe ich freigegeben.«
    Pelagia nickte, zog sich ihren braunen Kapuzenmantel über und war mit wenigen Schritten hinter der nächsten Straßenecke verschwunden. Von dort aus beobachtete sie, wie kurz hintereinander drei weitere Männer eingelassen wurden. Als keine Besucher mehr kamen, ging sie zurück und zog den neu angefertigten

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