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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Schlüssel heraus. Dass er passte, hatte sie zuvor ausprobiert und zugleich Schloss und Angeln mit Olivenöl geschmiert. Lautlos öffnete sie das Eingangsportal. Der Vorraum lag im Halbdunkel, aus dem Hauptraum klang Gemurmel. Sie zog ihre Sandalen aus, nahm sie in die Hand und pirschte sich heran, bis sie ihr Ohr an die Türe legen konnte. Das Holz war kühl und glatt, die Stimmen jetzt deutlicher zu hören. Sie kannte die Männer nur vom Sehen, wusste aber, dass alle dem Kaiser dienten.
    »… dann muss er verrückt geworden sein!«, vernahm sie. »Nicht einmal sein Sohn in Konstantinopel wird ihm Verstärkung schicken!« Allgemeines Gemurmel folgte, in dem sie nichts Genaues verstehen konnte.
    »… aber warum presst er sonst das Land aus? Andererseits – was will er machen, wenn er Alexandria erobert hat?«
    »Wie können wir ihn davon abbringen? … bleibt kaum Zeit … müsste er noch vor den Herbststürmen lossegeln …«
    Eine Zeitlang herrschte Schweigen, dann redeten die Männer leise weiter. Pelagia verstand nur noch einzelne Wortfetzen … »Sondersteuern … Söldner … Langobarden … zu wenig Schiffe … Rache für die verlorene Seeschlacht …«
    Plötzlich pochte es an der Eingangstüre. Pelagia zuckte zusammen, stolperte rückwärts und ließ eine Sandale fallen. Verzweifelt tastete sie im Dunkeln danach, als innen ein Stuhl kreischend über die Steinplatten geschoben wurde. Wo war nur die Sandale? Gebückt tastete sie mit der Hand über den Boden. Wieder klopfte es. »Ich komme!«, hörte sie Mizizios rufen. Pelagias Finger zitterten über die kühlen Steinplatten. Schritte näherten sich von innen. Da, jetzt bekam sie den Lederriemen zu fassen. Mit angehaltenem Atem hastete sie in die Kammer, in der sonst Paulos schlief, und zog die Türe bis auf einen Spalt zu. In diesem Augenblick trat Mizizios in den Vorraum und ließ einen Mann ein, in dem sie Andreas erkannte.
    Beide verschwanden im Hauptraum. Pelagias Herz hämmerte so stark, dass sie sich gegen die Wand lehnen musste. Erst nach einiger Zeit hatte sie sich wieder genügend unter Kontrolle, um erneut zur Türe schleichen zu können. Nun hörte sie Andreas' Bass, der erregt klang.
    »… und ich musste vor zwei Nächten zu ihm kommen. Er zeigte in eine Ecke. ›Da, genau da stand er. Einen Becher voll Blut in der Hand! Trink, Bruder hat er gesagt.‹ Als ich den Kaiser fragte, wen er meinte, stierte er mich mit leerem Blick an. ›Theodosius … mein toter Bruder!‹, stammelte er. Was meint ihr dazu?«
    Wieder brandete Stimmengewirr auf, so dass Pelagia nichts mehr verstand. Aber sie hatte ohnehin genug gehört.
    Langsam richtete sie sich auf, zog die Sandalen an, öffnete leise die Vordertüre und trat in die laue Sommernacht hinaus. Ziellos durchstreifte sie die Gassen, während ihr wirre Gedanken durch den Kopf wirbelten. Nachdem ihr genügend Zeit verstrichen zu sein schien, kehrte sie zurück und pochte vernehmlich an das Portal. Als die Torflügel aufschwangen und Licht auf das Pflaster fiel, sank sie in Mizizios' Arme.
    ***
    Zwei Wochen später, am Morgen des 15. Septembers, ritt eine kleine Gruppe auf die Brücke zu, die den Stadtteil Ortygia mit dem übrigen Sizilien verband. Der Himmel war bedeckt und Windstöße ließen das Banner flattern, dessen Schaft ein Fahnenträger umklammert hielt. Ihm folgten ein Dutzend Soldaten, danach kam der bärtige Kaiser, in einen perlenbesetzten Mantel gehüllt. Ängstlich spähten die Bürger von Syrakus aus den Fenstern. Verkäufer schoben scharrend ihre Stände an den Straßenrand, Händler trieben hastig ihre beladenen Maultiere in Seitengassen, ein Korbflechter blickte mit verkniffenem Mund den Reitern nach.
    Doch nicht einmal der Mann und die Frau, die den Zug beschlossen, schienen die finsteren Mienen und die halblauten Flüche, die ihnen nachgesandt wurden, zu bemerken. Zu sehr waren sie in ihr leise geführtes Gespräch vertieft.
    »Wir müssen handeln«, sagte Pelagia, wobei sie jedes Wort einzeln betonte.
    Der stämmige Mann neben ihr nickte langsam. »Nur – was können wir tun?«
    »Warum nicht nach Konstantinopel schreiben, dass der Kaiser nicht mehr Herr seiner Sinne ist? Dass er, wie du mir erzählt hast, Gespenster sieht, die Provinzen ausplündert, zu einem größenwahnsinnigen Feldzug rüstet, der uns alle ins Verderben reißen wird?«
    Andreas zuckte mit den Schultern. »Wer sollte denn ein solches Schreiben unterzeichnen? Solange er lebt, ist Konstans

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