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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Hafen.«
    Paulos nickte ergeben, aber Pelagia kannte ihn inzwischen gut genug, um seine Missbilligung dieser nicht standesgemäßen Ausflüge zu spüren. Dass bei den Griechen die Frauen meist im Haus blieben, wo sie von Beschnittenen bedient und bewacht wurden, hatte Pelagia nur kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Sie selbst, das schwor sie sich, würde nie ein Leben im goldenen Käfig führen.
    Als Pelagia eine Stunde später auf die Straße trat, stand die Sonne schon hoch, und die Schatten waren auf schmale Streifen am Fuße der Hausmauern zusammengeschmolzen. Ein leichter Wind strich durch die Gassen und trug den salzigen Geruch des Meeres heran, den sie so liebte. Sie beschloss, zum Hafen zu gehen und einen Blick auf die Schiffe zu werfen, die sich dort in der Dünung wiegten. Als sie an der Ufermauer stand, überwältigte sie auf einmal die Sehnsucht nach der Ferne, nach den unbekannten Ländern, die jenseits dieser in der Sonne glitzernden Wogen liegen mochten. Ich bin zu mehr geboren, dachte sie, während sie Hafenarbeitern zusah, die Kornsäcke aus einem Frachtschiff an Land schleppten.
    Plötzlich gewahrte sie erfreut eine vertraute Gestalt. Es war Andreas, der Sohn des Stadtpräfekten, den sie im Kreis der Freunde von Mizizios kennengelernt hatte. Jetzt stand er am Kai und überwachte die Arbeit der Träger. Pelagia ging zu ihm hinüber und sie begrüßten sich herzlich. Andreas gehörte einer alten, sehr auf ihre Stellung bedachten Syrakusaner Familie an. Sein Vater hatte sich vom Kaiser den angesehenen, jedoch längst einflusslosen Titel eines Consuls erkauft. Auf die gleiche Weise war sein Sohn Cubicularius geworden, in welcher Funktion ihm die Ehre zukam, dem Kaiser bei seinen Besuchen im Bad den Rücken zu schrubben. Bei einem Abendessen, bei dem Pelagia anwesend sein durfte, hatte er – von anschaulichen Gesten untermalt – derart komisch von seinem Amt berichtet, dass einer der schon angetrunkenen Gäste vor Lachen vom Stuhl gekippt war. Heute jedoch schien der kräftige, untersetzte Mann bedrückt.
    »Das Schiff sollte eigentlich nach Rom segeln«, teilte er Pelagia mit seiner tiefen Stimme auf ihre Nachfrage hin mit, »beladen mit Getreide aus Kirchengütern. Für die Armen der Stadt. Doch der Kaiser ließ die Ladung beschlagnahmen.«
    »Hat der Bischof von Syrakus nicht protestiert?«, erkundigte sie sich betroffen. »Und was sagt der Papst dazu?«
    »Der Bischof, voll christlicher Demut, wagte nicht zu widersprechen«, entgegnete Andreas bitter und wies auf Dutzende von Soldaten, die unter dem Vordach eines Lagerhauses herumlungerten, »und der Papst ist weit …«
    Sie sah, wie er die Faust ballte und nickte stumm, bevor sie sich verabschiedete. Einige Hundert Schritt weiter setzte sie sich nachdenklich auf einen Säulenstumpf und blickte über das Meer, bis sie, von den Reflexionen der Sonne geblendet, die Augen schloss. Leise klatschten die Wellen an die Kaimauer, über ihrem Kopf kreischten Möwen, auf einem nahen Boot riefen sich Fischer Unverständliches zu.
    Langsam drifteten ihre Gedanken ab; die Erinnerung an den Albtraum, der sie letzte Nacht gequält hatte, kehrte zurück. Sie war wieder in Rom gewesen, doch diesmal im Kaiserpalast auf dem Palatin. Völlig allein. Sämtliche Hallen, Gänge, Treppen menschenleer, nur ein leichter Luftzug ließ staubbedeckte Spinnwebfäden pendeln. Pelagia musste die Pforte finden, die noch offen stand. Sie musste sie schließen, davon hing ihr Leben ab. Draußen, in der entvölkerten Stadt, streiften die Sarazenen umher. Sie hatte, hinter eine Balkonbrüstung gekauert, die Horden gesehen. Schwarzgesichtige Männer, die durch die Gassen liefen. Die in alle Häuser eindrangen – immer auf der Suche nach Beute: Gold, Silber, Edelsteine. Aber vor allem suchten sie Menschen, um sie zu verschleppen und zu versklaven. Bald mussten sie den Aufstieg zum Palast finden. Dann würden sie gegen die Portale hämmern. Diese waren stark, aus Bronze und innen gut verriegelt. Sie würden halten. Aber da war diese eine Pforte, die offen stand. Die sie als Letztes unbedingt verriegeln musste. Wenn sie nur wüsste, wo sie war … Sie lief los. Ihre Schritte hallten durch die Säle. Ratten huschten davon, Fledermäuse flatterten auf. Pelagia, von Panik erfasst, schrie: »Mizizios, hilf mir!« Gefangen in diesem labyrinthischen Bau, würde sie nie mehr herausfinden! Jetzt hörte sie Stimmen – fremde, kehlige Laute. Die Sarazenen! Sie hatten die Pforte

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