Sie kamen bis Konstantinopel
jeder nur verächtlich herabsah. Frauen, die man sich nach ihrem beklatschten Auftritt allenfalls für ein weiteres, kurzes Vergnügen kommen ließ.
Es sei denn, fuhr es ihr durch den Kopf, sie nähme die Herausforderung an. Wie Theodora, die einstige Kaiserin, über deren Leben sie in ihrer Jugend viel gelesen hatte. Es sei denn, sie drehte den Spieß um, zeigte den Männern, dass sie es war, die hier eine Gunst gewährte. Sie musterte die Gäste und erneut trafen ihre Augen die des Generals Mizizios. Ihr Blick glitt über sein schönes, gleichmäßiges Gesicht: Große, dunkle Augen, kantige Wangen, ein sinnlicher Mund, der wieder leicht zu lächeln schien. Doch nicht spöttisch oder herablassend, sondern voll Bewunderung, ermunternd, als wolle er sagen: »Tue es, ich bitte dich darum!«
Pelagia lächelte in seine Richtung, verbeugte sich vor dem Kaiser. »Ich werde tanzen. Aber nicht wegen des Goldes, sondern um eines Mannes in diesem Raume willen. Nur für ihn tue ich es!«
Beifall erfüllte den Saal. Zu ihrer Erleichterung wagte niemand die Frage, wer dieser Glückliche sei. Die Brüskierung des Kaisers wäre zu offenkundig gewesen.
Dann begann Pelagia zu tanzen. Allen Ausdruck, dessen sie fähig war, legte sie in die Bewegungen ihres Körpers. Sie verschmolz mit der Musik, gab sich dem Rhythmus hin und schwebte durch den Raum. Als sie zuletzt erschöpft innehielt, wusste sie, dass sie gewonnen hatte.
***
»Bleib noch etwas«, murmelte die Frau. Spielerisch glitt ihre Hand über die Brustwarzen des Mannes, der neben ihr lag. Mit Wohlgefallen spürte sie die Reaktion und tastete sich tiefer. »Kann diese Versammlung nicht heute ohne dich stattfinden?«
»Nein«, antwortete er bedauernd, schwang sich aus dem Bett und trat vor das Fenster, durch das die Vormittagssonne ihre flachen Strahlen schickte. Er blickte hinaus über das Meer, streckte sich, stemmte die Hände in die Hüfte, rollte mit den Schultern und ließ die Muskeln spielen. »Gerade heute muss im Kronrat jeder anwesend sein. Es ist schon spät …« Mit diesen Worten ging er in Richtung des Bades.
»Schade«, murmelte Pelagia und sah dem nackten, kaum behaarten Körper nach. Seit vier Monaten war sie jetzt die Geliebte des Schönen Mizizios, wie er allgemein mit einem Anflug von spöttischem Neid genannt wurde. Noch immer erfreute sie sich an seinem Anblick. Aussehen hatte ihr immer viel bedeutet – seien es Schmuck, Kleider, schön angerichtetes Essen, ein Ornament oder eben ein Mann. Hässlichkeit dagegen beleidigte ihr Auge, stieß sie ab, erfüllte sie mit Widerwillen. Mizizios war nicht nur gut aussehend – das war Patricius, dieser verbohrte Priester, auch gewesen –, nein, er war wahrhaft schön. Außerdem war er wohlhabend, bei Hofe angesehen und vor allem ein guter Liebhaber. Mit Mitte zwanzig hatte sie die Freuden des Eros erst spät erfahren. Dafür war sie fest entschlossen, alles Entgangene nachzuholen.
Am Abend nach ihrem Auftritt hatte eine von Mizizios bestellte Sänfte vor dem Palast gewartet, um sie nach Hause zu bringen. Und bereits am folgenden Tag war ein Bote gekommen, der ein nach Rosenöl duftendes Päckchen samt einem versiegelten Brief überbrachte. Das Päckchen hatte einen goldenen Armreif enthalten und der Brief eine Einladung für den folgenden Abend. Pelagia war sogleich bewusst gewesen, was das bedeutete, und sie hatte ohne Zögern zugesagt. Lange genug hatten die Warnungen ihrer Mutter ihr Leben bestimmt. Oder genauer gesagt, ihr Leben verhindert. Mit jedem Jahr, das verstrich, ohne dass sie dem Mann begegnete, den ihre Mutter gebilligt hätte, war die Schwelle höher geworden. Pelagia, die nach außen hin so mutig und selbstständig wirkte, war im Innersten unsicher. Was Männer betraf, hatte sie sogar begonnen, an sich selbst zu zweifeln. Bis sie Mizizios begegnete und beschloss, dass er es sein sollte. So hatte sie kein Sträuben vorgeschützt, als er sie nach dem Essen in den Arm nahm, sie küsste und dabei mit dem Fuß eine Türe aufstieß, die mit dunklen Edelhölzern verziert war. Der Nebenraum, in dessen Mitte ein großes Bett stand, war mit Teppichen ausgelegt und von nur wenigen Öllampen erhellt. Pelagia hatte schon immer Frauen verachtet, die etwas anderes sagten, als sie eigentlich ersehnten. Die vorgaben, Widerstand zu leisten, nur damit dieser überwunden werde. Heute wusste sie, was sie wollte, und ließ den Mann, den sie sich erkoren hatte, darüber nicht im Unklaren.
Als Mizizios
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