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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Fenster rufen.
    »So? Dann hat Gott unsere Gebete erhört!«, lachte ihre Nachbarin von gegenüber.
    Pelagia hatte kaum Zeit, sich zu wundern. Schon erreichten sie den Platz vor der Festung, auf dem sonst die Paraden stattfanden. Überall standen Soldaten herum, die Mizizios ehrerbietig begrüßten, als er sich seinen Weg durch die Menge bahnte.
    Er stieg auf einen Stapel Fässer und hob die Hand. »Kameraden«, rief er, und Stille breitete sich aus wie ein Ölfleck auf einer Wasserlache. »Konstans ist tot, wir …«
    »Hoch lebe Mizizios!«, rief eine Männerstimme mit armenischem Akzent, mehrere stimmten zu.
    »Er lebe hoch!«
    Pelagia, die ebenfalls ein Fass erklommen hatte, erkannte jetzt auch Andreas in der Menge.
    »Kameraden«, versuchte sich Mizizios Gehör zu verschaffen. »Jetzt müssen wir …«
    »Einen neuen Basileus wählen!«, schrie ein junger Soldat und hob sein Schwert. Das Murmeln in der Menge schwoll wieder an. Pelagia stand jetzt neben ihrem Geliebten, der ihr verwirrt zuraunte. »Ich weiß nicht, was los ist. Sie hören nicht auf mich!«
    »Mizizios soll unser Basileus sein!«, schrie Andreas so laut er konnte, und dieser Ruf breitete sich in der Menge aus wie die Wellen eines ins Wasser geworfenen Steines. »Mizizios Basileus, Mizizios Basileus …«
    Der Genannte sah sich verwirrt um. »Ich will aber nicht«, rief er, »wir haben doch seinen Sohn Konstantinos in Konstantinopel!«
    Doch niemand schien auf ihn zu hören. Immer wieder hallten die Rufe »Mizizios Basileus!« über den Platz, während die Soldaten rhythmisch ihre Speere an die Schilde schlugen.
    »Was soll ich tun?«, fragte er hilflos, an Pelagia gewandt. »Ich will nicht Kaiser werden!«
    »Warum nicht?«, entgegnete sie mit glänzenden Augen. »Du bist als General der Richtige! Du hast mir doch erzählt, wie du in Armenien ein ganzes Sarazenenheer vernichtet hast!«
    Mizizios nickte zögernd. »Ja, das schon. Nur was werden die Exarchen in Karthago und Ravenna tun?«
    »Haben nicht viele ihrer Vorgänger auch schon rebelliert?«, fragte Pelagia. »Und hast du selbst dich nicht immer wieder über diese Schreibstubenhelden lustig gemacht?« Sie nahm seine Hand. »Wir könnten wieder ein Kaisertum im Westen begründen. Das müsste auch der Papst wollen. Dann braucht er nicht mehr vor dem fernen Konstantinopel zu buckeln. Wir könnten uns mit den Langobarden verbünden, Rom wieder zur Hauptstadt machen …«
    Weiter kam sie nicht mehr. Aus einzelnen Stimmen war jetzt ein Ruf geworden, den die vielhundertköpfige Menge wie ein Mann skandierte.
    »Mizizios Basileus!«
    Zuletzt trat Mizizios vor, hob die Hand und wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war. »Ich nehme eure Wahl an! Ich will euer Kaiser sein!«, rief er.
    Während die Menge vor Begeisterung tobte, traten Pelagia die Freudentränen in die Augen. Sie war stolz auf ihren Geliebten – diesen stattlichen, von den Soldaten umjubelten Mann. Er hatte ihr vor wenigen Tagen versprochen, sie in Rom zu seiner Ehefrau zu machen. Als künftige Kaiserin würde sie in die Stadt einziehen, die sie vor fünf Jahren als armes Mädchen verlassen hatte. Sie war am Ziel ihrer Träume.

Kapitel 8
    Übers Meer
(669 n. Chr.)
    »Als hiervon das Volk der Sarazenen Kunde bekam, das bereits Alexandria und Ägypten eingenommen hatte, so kam es plötzlich auf zahlreichen Schiffen nach Sizilien, drang in Syrakus ein und richtete unter der Bevölkerung der Stadt ein großes Blutbad an. Die Sarazenen machten eine überaus reiche Beute; auch alles, was der Kaiser Konstans aus Rom mit fortgenommen hatte, die Kunstwerke in Erz und anderen Stoffen raubten sie und kehrten damit nach Alexandria zurück.«
    Paulus Diaconus, Langobardengeschichte (8. Jh.)
    Langsam, mit gesenktem Kopf schlurfte die Bettlerin über den Markt. Sie war in einen schmutzigen, zerrissenen Umhang gehüllt; über ihr Haar hatte sie ein Kopftuch gebunden, das auch ihr Gesicht weitgehend verbarg. Sie hinkte, ihr linker Fuß war mit fleckigen Binden umwickelt, und sie streckte immer wieder die Hand aus. »Herr, eine Gabe.« Doch meist wandten sich die Angesprochenen ab. Weder der Fleischer, der seine Würste auslegte, noch der Bäcker, der duftende Brotlaibe feilbot, würdigten sie eines Blickes. Nur der Wirt einer Garküche am Rande des Platzes hatte Mitleid mit dem unbekannten Bettelweib. Er reichte ihr ein Rippenstück, das ein Gast halb abgenagt hatte liegen lassen. Einen Augenblick wunderte er sich über die Hand, die die Gabe

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