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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Botschaften aus Africa und Ravenna: Nein, man stehe treu zu Kaiser Konstantinos in Konstantinopel, mit der Rebellion wolle man nichts zu schaffen haben.
    »Anfangs fluchte er und drohte, höchstpersönlich den feigen Speichelleckern sein Schwert in den Hintern zu rammen«, seufzte Pelagia, »aber als der Papst ebenfalls den Aufstand verdammte, stand er wie vom Donner gerührt.« Sie schaute eine Weile den Möwen nach, als wollte sie mit ihnen davonfliegen.
    »Was tat er dann?«, unterbrach Urso die Stille.
    »Was er tat? Nichts tat er!«, erregte sich die Frau. »Anfangs tönte er großmächtig, man werde die Stadt befestigen, neue Söldner anwerben, Katapulte bauen. Doch als Späher meldeten, dass kaisertreue Truppen aus Corsica, Sardinia und Calabria in Messina gelandet seien, verfiel er in Schwermut. Er jammerte, alles sei verloren, lief ziellos durch den Palast und zechte mit seinen Kumpanen bis zum frühen Morgen …«
    »Und was hast du gemacht?«
    »Was konnte ich als Frau schon tun? Versuchen, seine Pläne mit ihm zu besprechen! Nur warf er ständig seine Entscheidungen um. Eines Abends hat er mir im Suff gestanden, dass es mit seinen Siegen in Armenien auch nicht so weit her gewesen sei. Er habe einfach das Glück gehabt, ein kleines, beutebeladenes Sarazenenheer bei der Rückkehr von einer Ghaziya, einem Raubzug, überraschen, einkesseln und abschlachten zu können. Da wurde mir klar, dass ihn alle, so auch ich, wegen seines guten Aussehens überschätzt hatten …« Eine Träne lief über ihre Wange. »Einer nach dem anderen verließen ihn seine Anhänger. Täglich fehlten beim Appell mehr Soldaten, und eines Tages segelte die Flotte heimlich aus dem Hafen. Als ich das hörte, wusste ich, dass wir gefangen waren, verloren, am Ende …«
    Sie nahm Ursos Hand und erzählte stockend den Rest. »Ganz schlimm wurde es, als die kaisertreuen Truppen Syrakus umzingelten. An dem Abend trank er ärger als zuvor. Als wir alleine in unserem Zimmer waren, stierte er mich an und lallte, ich sei an allem Schuld …«
    »Du?«, unterbrach Urso sie ungläubig.
    »Ja, er behauptete, ich hätte den Pogonatos auf dem Gewissen«, sie zögerte, brachte die Wahrheit jedoch nicht über die Lippen, »ich hätte unbedingt Kaiserin werden wollen, ich sei es gewesen, die ihm, Mizizios, den Gedanken eingeblasen habe, diese unselige Kaiserwahl anzunehmen. Aber jetzt sei Schluss damit, er werde sich ergeben und Kaiser Konstantinos um Gnade bitten …«
    »Er muss verrückt geworden sein!«, bemerkte Urso kopfschüttelnd.
    »Ach, vielleicht war er nur verzweifelt. Ich griff mir jedenfalls meinen Mantel und rannte aus der Türe. Ohne Geld, nur mit meiner Glasperlenkette um den Hals, hinaus in die Nacht. Das hat mir das Leben gerettet …«
    »Wieso, wollte er dich umbringen?«
    »Mizizios? Nein, der war viel zu betrunken. Aber noch in dieser Nacht drangen die Truppen des Exarchen in die Stadt ein, stürmten den Palast und erschlugen jeden, den sie darin fanden: Mizizios, Andreas und noch einige andere. Der Rest der Rebellen wurde in Ketten gelegt, um nach Konstantinopel gebracht zu werden.«
    »Ja, dort soll es ein mächtiges Nasenabschneiden, Zungenausreißen, Ohrenkappen und Augenausstechen gegeben haben«, bemerkte Urso bedächtig. »So ward erfüllt, was der weise Salomo gesagt hat: ›Das Drohen des Königs ist wie das Brüllen eines Löwen; wer ihn erzürnt, der sündigt wider das eigene Leben.‹«
    Pelagia sah ihn gequält an. »Kannst du diese Sprüche nicht einmal lassen?«
    »Entschuldigung, eine alte Angewohnheit. Bitte erzähle mir noch, wie du dich verletzt hast.«
    »Als ich aus dem Haus rannte, hatte ich noch meine seidenen, mit Perlen besetzten Hausschuhe an. Vor einem geplünderten Laden trat ich in eine Glasscherbe, die sich durch die weiche Sohle bohrte, zugleich hörte ich das Getrampel von Soldatenstiefeln. Ich konnte mich gerade noch in der Arethusaquelle verstecken, zwischen den Papyruspflanzen. Aber da kam Schlamm in die Wunde, und seitdem eitert sie immer wieder.« Pelagia seufzte bitter. »Als ich am nächsten Tag in den Palast schlich, war alles geplündert und verwüstet. Nur das habe ich in einer Ecke gefunden.« Sie zog den versteinerten Seeigel aus ihrem Gewand, den ihr Patricius gegeben hatte. »Mein Juwelier, für den ich früher gearbeitet hatte, war auch tot. Ich musste die Schuhe dann irgendeinem Gauner für ein paar Münzen verkaufen, und als das Geld aufgebraucht war, blieb mir nur das Betteln.

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