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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Helena prompt. »Ich kann ihn gerne fragen, wohin er geht.«
    »Nicht nötig«, wehrte Pelagia ab, die hier eine willkommene Gelegenheit sah, den wachsamen Augen des Beschnittenen zu entgehen. »Wenn, dann komme ich mit dir.«
    Ganz langsam, wie eine Schleierwolke am Himmel, formte sich ein Gedanke in ihrem Kopf, den sie immer wieder zu verdrängen suchte. Schließlich ging sie zu dem in die Wand eingelassenen Schränkchen, das ihre persönlichen Dinge barg. Zuerst nahm sie den versteinerten Seeigel in die Hand und legte ihn wieder zurück, dann öffnete sie ihre Schmuckschatulle, warf einen Blick auf das Armband und die Halskette, und griff zuletzt zu dem kleinen Ledersäckchen, dessen Inhalt sie bisher nicht angerührt hatte. Sie schüttete die Münzen in die linke Hand, ging zum Fenster, freute sich an dem warmen Glanz und nahm einen der Dinare in die Hand. Auf den ersten Blick sah er genauso aus wie die Solidi, die der Kaiser prägen ließ und die sie zuletzt in Syrakus, als Geliebte des Mizizios, in der Hand gehabt hatte.
    Gold bedeutet Macht, ging ihr durch den Kopf, aber man kann sich auch Bequemlichkeit damit erkaufen. Oder Ansehen. Vielleicht … zögernd drehte sie die Münze zwischen Daumen und Zeigefinger, … sogar Freiheit. Sie betrachtete das Goldstück genauer. Die Vorderseite zeigte das vertraute Herrscherbildnis, wenn auch mit arabischer Umschrift. Auf der Rückseite waren die üblichen drei Stufen zu sehen, aber wo sie bei den Solidi ein Kreuz trugen, war hier ein senkrechter Pfahl ohne Querbalken abgebildet. Pelagia legte die Münzen nachdenklich zurück. Zehn Dinare – mehr als ein normaler Jahresverdienst. Wer wusste schon, wozu sie das Gold einmal brauchen würde …
    Dann schüttelte sie unwillig den Kopf und verscheuchte ihre Gedanken. Sie war Dauds Geliebte, würde ihm einen Sohn schenken, seine Frau werden und ihren Platz keineswegs kampflos räumen. Anstatt wie bisher der Rivalin aus dem Wege zu gehen, musste sie ihr die Stirn bieten. Am besten gleich heute!
    Als die Dämmerung hereinbrach, schritt Pelagia energisch in Richtung des Bades. Sie wusste, wann die Andere dort zu sein pflegte, und hatte sich zuvor mit duftenden Ölen eingerieben. Voll Ärger hatte sie bei einem Blick in den Spiegel erste Fältchen um die Augen wahrgenommen, ebenso den nach zwei Schwangerschaften nicht mehr ganz so straffen Bauch. Doch bei den Falten half Creme und der Bauch ließ sich einziehen. Zumindest vorübergehend, schmunzelte sie, als sie das dampferfüllte Gewölbe betrat. Layla war schon da, ausgestreckt auf einer Liege, den nackten Körper mit einer Seidendecke verhüllt, die ihre Formen nachzeichnete.
    Wenn sie erstaunt war, so verbarg sie es und begrüßte Pelagia mit einem freundlichen Kopfnicken. Diese musterte die vollen Lippen, die Stupsnase und die üppige Lockenpracht des Mädchens. »Gewöhnlich«, war ihr stummes Urteil, »eine Dorfschlampe, die weiß, wie man sich an Männer heranmacht.« Doch zwang sie sich gleichfalls ein Lächeln ab und hatte die Andere bald in ein Gespräch verwickelt. So erfuhr sie manches aus Dauds Leben, wovon sie zuvor keine Ahnung gehabt hatte.
    »Woher weißt du das alles?«, fragte sie erstaunt.
    »Weil ich ihn gefragt habe und ihm zuhöre«, lächelte Layla. »Kommst du mit ins Becken?«
    Pelagia nickte stumm. Die Andere streifte das Tuch ab, um in das heiße Wasser zu steigen. Sie folgte ihr, bemüht, ihr Hinken zu unterdrücken. Plötzlich stutzte sie. Dieser kleine, runde Bauch des Mädchens – obgleich stämmig, war sie doch sonst schlank? Bedeutete das etwa …? Sie ballte die Fäuste und biss sich auf die Lippen. Nachdem beide untergetaucht waren und sich im Wasser räkelten, fasste Pelagia sich ein Herz. Im Ton freudiger Überraschung fragte sie: »Layla, bist du … bist du etwa guter Hoffnung?«
    »Ja«, antwortete das Mädchen strahlend. »Ist das nicht wunderbar? Aber«, setzte sie tröstend hinzu und legte ihre Rechte auf Pelagias Arm, »auch du bist sicher noch nicht zu alt. Gib nicht auf!«
    »Natürlich nicht!«, entgegnete Pelagia mit erstickter Stimme. Sie musste an sich halten, um nicht nach der Seifenschale zu greifen und der Rivalin den Schädel einzuschlagen.
    Diese Nacht fand sie keinen Schlaf, sondern wälzte sich im Bett, bis der Morgen graute. Die nächsten Abende wartete sie vergeblich auf Daud, und wenn er nicht kam, befahl sie Helena, unverdünnten Wein zu holen, den diese mit missbilligendem Blick brachte. Becher um Becher

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