Sie kamen bis Konstantinopel
in den Augen wissen. »Mama, muss die andere Frau jetzt sterben?«
Da schämte sich Pelagia ihrer missgünstigen Wünsche. Ein Mädchen, dachte sie, ein gesundes Mädchen gönne ich ihr, das soll sie bekommen, mehr will ich gar nicht.
»Nein, mein Schatz, sie hat nur Bauchweh«, antwortete sie und rief nach der Sänfte, »weil sie ein kleines Kind bekommt, so wie du eines warst.« Sie ließ sich durch den heiligen Bezirk bis zu dem Brunnen tragen, der jenseits der Ostmauer einen Strahl klaren Wassers in ein uraltes Becken plätschern ließ und den Fatima so liebte. Dort saß sie, bis die Sonne sank und es kühl wurde, sah ihrer Tochter beim Spielen zu, wechselte einige Worte mit dem Wasserverkäufer und versuchte, die Gedanken an das zu verdrängen, was einige Straßen weiter geschehen mochte. Als sie endlich nach Hause zurückkehrte, herrschte dort eine verstörende Stille. Bei Sergios' Anblick stockte ihr der Atem.
»Ist sie …«, fragte sie leise, »hat Layla …?«
»Ja, Herrin«, antwortete der Beschnittene mit zufrieden glänzendem Gesicht, »Ihr könnt beruhigt sein. Sie hat einen gesunden Jungen zur Welt gebracht.«
»Danke«, stammelte Pelagia mit versteinerter Miene und eilte, Fatima hinter sich her zerrend, die Treppe zu ihrem Zimmer empor. Niemand sollte sehen, was sie empfand.
***
In den nächsten Wochen kam Daud wieder regelmäßig, und sie liebten sich, wenn auch Pelagia den Verdacht nicht los wurde, dass diese Zuwendung hauptsächlich der Unpässlichkeit ihrer Rivalin geschuldet war. Doch ließ sie sich nichts anmerken, so dass er oft noch auf ein oder zwei Partien Schatrandsch blieb und dabei eines Abends sogar auf seine Arbeit zu sprechen kam.
»Stell dir vor«, bemerkte er mit sichtbarem Stolz, während er einen Bauern vorschob. »Der Kalif wird mich und einige andere damit beauftragen, eine starke Flotte auszurüsten …«
»Das ist gewiss eine große Ehre«, entgegnete sie lächelnd, wobei sie ihren General versetzte, um einer anderen Figur die Angriffslinie freizugeben. »Aber warum das, was will er erreichen?«
»Die Flotte der Rum hat kürzlich einen großen Überfall auf die ägyptische Stadt Barallus verübt«, antwortete er und durchkreuzte ihre Pläne durch ein geschicktes Manöver, »wobei die ungläubigen Hunde viele unserer Schiffe verbrennen konnten. Das muss ein für alle Mal ein Ende haben, befiehlt der Beherrscher der Gläubigen …«
Pelagia fühlte einen Kloß im Magen – weniger wegen der Aussicht auf einen weiteren, fernen Krieg, als wegen seiner Wortwahl. Zu diesen Ungläubigen zählte auch sie. War ihm das nicht mehr bewusst oder riss der Graben zwischen ihnen immer weiter auf? Sie überlegte, machte einen gewagten Zug und fragte mit unschuldiger Miene. »Und wohin soll eure Flotte segeln?«
»Das darf ich dir nicht verraten«, entgegnete er und nutzte seinen Vorteil aus, um ihre Figur zu schlagen.
»Na ja«, Pelagia zuckte leichthin mit den Schultern, »es wird wohl das Übliche werden. Ihr greift an, erobert ein paar Festungen, plündert Kirchen, erschlagt Männer, vergewaltigt Frauen, kehrt stolz zurück und nächstes Jahr geht alles von neuem los …«
Daud sah sie stirnrunzelnd an, doch dann schmunzelte er. »Ja, so war es bisher, aber so wird es nicht wieder sein. Diesmal siegen wir endgültig. Der Kaiser der Rum muss sich vor dem Kalifen in den Staub werfen oder seinen Thron verlieren. Aber weil ihm seine Verblendung die Unterwerfung nicht gestattet, erwartet ihn Allahs strenge Strafe. Unsere Beute jedoch wird eine ungeheure sein – und damit auch mein Anteil. Wir werden im Gold schwimmen!« Er setzte seinen Rukh vor, so dass er ihren General bedrohte, und sah sie mitleidig an. »Du spielst heute schlecht. Gib auf, du hast verloren!«
Pelagia nickte abwesend. »Ja, das sehe ich. Ich habe verloren.«
***
Die Wochen vergingen, die Oleander im Hof blühten, und Pelagia fragte sich hin und wieder, was Daud wohl gemeint haben konnte. Ein Sieg, der alles entscheiden würde? Ungeheure Beute? Da bliebe eigentlich nur ein Angriffsziel …
Doch dann kreisten ihre Gedanken immer mehr um ihre eigene Lage, so dass sie die große Politik verdrängte. Sobald Layla sich von der Geburt erholt hatte, stolzierte sie wie eine Königin durch das Haus, den kleinen Suleiman auf dem Arm. Zwei Dienerinnen wurden für sie eingestellt sowie eine eigene Amme, mit der Helena bald Freundschaft schloss, so dass sie Pelagia allen Klatsch aus dem anderen Bereich des Harams
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