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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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westlichen Provinzen des Sarazenenreichs. Es musste sich um eine Seekarte handeln – doch von welcher Gegend? Dann bemerkte sie eine Stadt, erkennbar an fein gezeichneten Türmen und Mauern. Mühsam entzifferte sie den verschnörkelt geschriebenen Namen: Konstantinopolis. Ihr Herz raste. Hielt sie hier die Kriegspläne für den Angriff auf die Hauptstadt des Kaiserreichs in der Hand? Mit angehaltenem Atem blätterte sie weiter: Listen mit den Namen von Schiffen, der Anzahl der Ruderer, Seeleute, Soldaten, des benötigten Proviants, der Waffen …
    Langsam atmete sie aus und legte den Stapel zur Seite, um den Rest der Papyrusbögen wieder in der Truhe zu verstauen. Dabei sah sie etwas auf deren Boden glänzen. Sie fasste hinein: Goldmünzen klirrten. Es mussten Dutzende und Aberdutzende sein, vielleicht über hundert. Einen Augenblick war sie nahe daran, so viele mitzunehmen, wie sie tragen konnte. Doch dann nahm sie nur eine Handvoll, legte die Blätter zurück, klappte den Deckel zu und versuchte, die Truhe abzuschließen. Erneut klemmte der Schlüssel. Mehrfach probierte sie es, hielt erschrocken inne, wenn Metall klirrte, lauschte, versuchte es wieder – ohne Erfolg. Plötzlich packte sie die Panik. Den Papyrusblätterstapel unter ihr Kleid geschoben, hastete sie aus dem Vorraum, schlich sich an der Wache vorbei, die noch immer schnarchte, hinaus auf den Gang. Ohne jemandem zu begegnen, erreichte sie ihr Zimmer, versperrte die Türe und warf sich schwer atmend aufs Bett. Jetzt täte ein Becher Wein gut, dachte sie, aber jemanden aus der Küche zu wecken, hätte nur unnötiges Aufsehen erregt.
    Heute hatte sie endgültig die Brücken hinter sich abgebrochen. Jetzt musste ihr Plan gelingen. Er musste!
    ***
    Der Sonntag verlief ereignislos. Daud schlief lange – er hatte, wie man im Hause flüsterte, nachts noch Layla kommen lassen. Pelagia, mit dunklem Schleier und Goldarmband angetan, bestieg die Sänfte. Helena lief hinter ihr her, einen Sack in der Hand. Sie müsse noch in die Gasse der Schuhmacher, erklärte sie weitschweifig dem gelangweilten Nubier, um die Lieblingssandalen der Herrin ausbessern zu lassen.
    In der Kirche verlief alles wie üblich. Nach dem Gottesdienst beteten die beiden Frauen in dem Gewölbe, in dem das Haupt Johannes des Täufers verehrt wurde. Während die Dienerin noch einige Worte mit einem schwarz gelockten jungen Mann wechselte, hinkte ihre Herrin gemächlich zur Türe.
    »Die Sänfte«, befahl sie und winkte mit der Rechten, an der ein goldenes Armband glänzte. Zu Hause angekommen, verschwand sie in ihren Räumen ohne den Schleier abzunehmen und befahl, nicht gestört zu werden, da sie Kopfweh habe.
    Einige Stunden später hörte Sergios auf seinem regelmäßigen Rundgang die Stimmen der Frauen. Die Dienerin bat um etwas, dass ihr Pelagia nach kurzem Schweigen gewährte. Später traf er Helena auf dem Gang, die ihm sagte, die Herrin habe schwere Kopfschmerzen, wolle kein Essen mehr und würde sich diesen Abend gleich schlafen legen. Sie wirkte, wie er später berichtete, dabei sehr glücklich, da ihre Nichte in einem nahen Dorf ein Kind erwartete und Pelagia ihr eine Woche frei gegeben habe. Am Abend fand Sergios auf einem seiner Kontrollgänge die Türe verschlossen – wie seit Wochen schon.
    Doch sie blieb es auch am nächsten Morgen und ebenso am Nachmittag. Als sie am Abend noch immer versperrt war und niemand auf Pochen und Rufen hin öffnete, ließ Daud die Türe aufbrechen. Entgeistert starrte er in den leeren Raum, in dem als einziges lebendes Wesen die hungrige Diana maunzte. Der Schlüssel lag auf dem Boden, auf dem Tisch sah er den versteinerten Seeigel. Das Fenster stand offen, seltsame, mit Kohle geschmierte Zeichen bedeckten die Wände. Die christlichen Diener bekreuzigten sich, während Schirin erschrocken murmelte: »Bei Allah! Ein Dschinn muss sie geholt haben!«
    Erst zwei Tage später, als Daud den Verlust der Flottenplanung bemerkte, befielen ihn Zweifel. Doch bewahrte er Stillschweigen und ließ sich nichts anmerken. Sowohl gegenüber seiner Mutter als auch in der Öffentlichkeit war Zauberei als Erklärung bedeutend besser als die Möglichkeit, die sich ihm aufdrängte: Er, der Listenreiche, war selbst überlistet worden! So blieb er scheinbar ruhig, doch als er abends alleine an seinem Schreibtisch saß, ergriff er Pelagias Seeigel und schleuderte ihn auf den Steinboden, dass er in Stücke sprang.
    ***
    Zu diesem Zeitpunkt befand sich Pelagia bereits

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