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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Sein Finger wies in eine Ecke, wo eine alte Amphore stand. »Bitte versucht, den Rest … irgendwie … bitte.« Er verstummte erneut.
    Pelagia nickte, Tränen in den Augen. »Das verspreche ich.« Sie sah Kallinikos an, der gleichfalls nickte. »Wir versprechen es!«
    »Danke!«, flüsterte Urso und schloss die Augen. Sein Atem ging schwer, seine Hand wirkte schlaff. Pelagia hielt sie stundenlang, während sie in die zuckende Flamme einer Kerze starrte, die Kallinikos gebracht hatte. Hin und wieder, wenn er stöhnte, strich sie dem Schwerverletzten über die Stirne, bis sie merkte, wie sein Atem schwächer wurde, stockte und endgültig erlosch. Da warf sie sich über den Toten und schluchzte, wie sie seit Fatimas Tod nicht mehr geweint hatte. Derweil saß Kallinikos mit versteinertem Gesicht neben ihr, öffnete die Hände und ballte sie wieder zu Fäusten.
    Endlich räusperte er sich.
    »Morgen hättest du deine Audienz?«
    Sie nickte überrascht. »Wieso?«
    »Weil ich mich entschlossen habe, dem Kaiser das Feuer anzubieten.«
    Pelagia wischte sich ungläubig die Augen. »Wirklich? Wieso das?«
    »Die Sarazenen haben meinen Freund getötet. Und wir brauchen jetzt Geld. Mehr als wir haben.«
    »Kannst du die Substanz denn so schnell herstellen?«
    »Nein«, erwiderte der Baumeister, »ich besitze nur noch eine kleine Probe. Die ist jedoch besser als alles, was der Kaiser schon kennt. Aber das Besondere sind meine Pläne für neuartige Abschussvorrichtungen.« Kallinikos stand auf und seine Augen leuchteten. »Eine Waffe, wie sie es noch nie gegeben hat. Wenn das den Kaiser nicht überzeugt, so hat das Schicksal wahrlich anders bestimmt. Dann bleibt es mir erspart, mein Gewissen mit dem Tod Tausender zu belasten.«

Kapitel 13
    … und Gottes Feuer
(673-674 n. Chr.)
    »Das Meer ist eine grenzenlose Weite, darauf sich große Schiffe ausnehmen wie winzige Punkte; nichts gibt es dort als den Himmel zu Häupten und Wasser zu Füßen; wenn ruhig, so ist des Seemanns Herz verzagt, wenn stürmisch, schwinden ihm die Sinne. Traue ihm wenig, fürchte es sehr. Der Mensch auf See ist wie ein Insekt auf einem Splitter, bald verschlungen, bald zu Tode erschreckt.«
    Warnung des Feldherrn Amr an den zweiten Kalifen Omar
    Am Tag der Audienz war Pelagia so übernächtigt, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Von all dem, das sich in den Räumen des Palastes abspielte, blieben ihr nur verschwommene Erinnerungsfetzen: endlose Hallen, Marmorsäulen mit nestartig verschlungenen Kapitellen, mosaikglänzende Gewölbe, statuengleich aufgereihte Wachen, hochnäsige, geschraubt sprechende Beamte – und zuletzt der in schwere Brokatgewänder gehüllte Kaiser auf seinem Thron, vor dem sich alle auf den Boden warfen.
    Eingebrannt in ihre Erinnerung hatte sich dafür Kallinikos' strahlendes Gesicht, als sich das Chalke-Portal wieder hinter ihnen geschlossen hatte und sie zu ihren wartenden Sänften gegangen waren. Vor allem aber die triumphierende Geste, als er, den prall gefüllten Beutel in der Rechten, ihr ins Ohr geflüstert hatte: »Kein Sterbenswort von dem, was du heute erfahren hast. Zu niemandem!«
    Genickt hatte sie und ihre Lippen waren versiegelt geblieben. Gegenüber Patricius nicht weniger als gegenüber Irene, die sie am nächsten Tag freigekauft und zu ihrer persönlichen Dienerin gemacht hatte. Anfangs war das Mädchen nicht mehr als ein stummer Schatten gewesen, der bei jedem Geräusch zusammenzuckte. Zwei dunkle, schreckgeweitete Augen, ein zitternder Mund und ein schlanker, noch fast knabenhafter Körper, über dessen helle Haut blutunterlaufene Striemen liefen. Nach Tagen erst, als ihr bewusst wurde, dass sie nicht in eine neue Knechtschaft geraten war, hatte sie zu erzählen begonnen.
    Wie sie als fünfzehnjähriges Waisenkind im Haus ihres Vormunds von Küchenabfallen gelebt hatte. Von der Armut des Dorfes, den Missernten, den Sarazenenüberfällen und den erbarmungslosen Steuereintreibern des Kaisers. Und von der scheinbaren Erlösung aus dem Elend, als ein Beauftragter des Statthalters erschien. Er wolle, wie er lächelnd ausrief, dem Auge wohlgefälligen Mädchen die Gelegenheit geben, in der Hauptstadt ihr Glück zu machen. Sie schilderte das Händereiben ihres Vormunds, als er die unnütze Esserin gegen zwei Goldstücke losgeworden war. Wie sie vor dem Priester einen heiligen Eid hatte schwören müssen, stets gehorsam zu sein. Und wie gerne sie das getan hatte, ein kleines Landmädchen voll Vorfreude

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