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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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»Warum bist du dann nicht in Baalbek geblieben?«
    »Weil man mich dort ausplündern wollte. Weil mir mein Gefühl sagt, dass die jetzt noch herrschende Freizügigkeit in Glaubensfragen nicht von Dauer sein wird. Und weil ich Bauten errichten möchte, die man im Kalifenreich nicht will. Paläste und Kirchen. Deshalb.«
    »Ich verstehe«, murmelte Pelagia. »Wie geht es übrigens Urso?«
    »Er ist heute Morgen aufgebrochen, mehr weiß ich nicht. Ruf mich, wenn du etwas brauchst.«
    Mit diesen Worten überließ er Pelagia ihren Gedanken.
    Den Rest des Tages lag sie im Bett, sank immer wieder in leichten Schlummer und fühlte sich besser, als ihr Kallinikos abends ein warmes Essen aus einem Wirtshaus brachte. Sie musterte den glatzköpfigen, verschlossenen Mann und dachte an seine zwei Worte: Gute Gründe. Hatte nicht auch Urso irgendein Geheimnis erwähnt, das der Baumeister angeblich in seinem Herzen trug?
    »Hast du schon etwas von Urso gehört?«
    »Nein, aber da er die Dunkelheit nutzen wollte, erwarte ich ihn auch nicht vor Mitternacht zurück«, entgegnete Kallinikos. »Hier, ich habe dir einen kleinen Krug Rotwein mitgebracht.«
    Pelagia bedankte sich und fiel bald in einen schweren, traumlosen Schlaf.
    Heute ist Dienstag. Morgen wäre meine Audienz! Dieser Gedanke schoss ihr als erstes durch den Kopf, als sie am nächsten Morgen erwachte. Dem Sonnenstand nach war es noch sehr früh, so zog sie die Bettdecke bis unter den Hals. Sie fühlte sich nicht mehr so matt wie gestern und mit den zurückgekehrten Lebensgeistern war auch ihr Wille erwacht, diese einmalige, hart erkämpfte Gelegenheit nicht einfach verstreichen zu lassen. So sann sie nochmals über das gestrige Gespräch nach. Was konnten das für Gründe sein? Ob Urso Näheres wusste? Sie schlüpfte in ihr Gewand, ging zum Zimmer der beiden Männer, öffnete vorsichtig die Türe.
    Und sah betroffen, dass Ursos Bett leer war.
    Kallinikos erwachte, gähnte und rieb sich die Augen. »Geht es dir wieder besser?«
    »Ja, viel besser. Aber wo ist unser Freund?«
    Er setzte sich auf und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht wurde er aufgehalten. Oder kam trotz Bestechung nachts nicht mehr durch die Schlupfpforte in die Stadt. Wir werden es sicher bald erfahren.«
    Doch die Stunden verstrichen. Pelagia wurde immer unruhiger, bis sie zuletzt die Untätigkeit nicht mehr aushielt und zu Kallinikos ging, der an einem Tisch mit Papyrusbögen saß und ein Portal zeichnete.
    »Darf ich dich etwas fragen?«
    »Natürlich«, antwortete er und legte das Schreibrohr beiseite.
    »Du bist kein Freund des Christentums. Dafür hast du, wie du sagst, gute Gründe?«
    Kallinikos nickte. »Ja, die habe ich.«
    »Ist dir seitens der Kirche ein Unrecht widerfahren?«
    »Mir selbst nicht, aber«, er verschränkte die Finger und sah sie an, »meiner Familie. Auch wenn es schon lange her ist.«
    »Willst du es mir nicht erzählen?«, bat sie.
    Kallinikos sah sie durchdringend an, schien sich einen Ruck zu geben. »Ja, weil du mich dann besser verstehst. Setz dich.« Er wies auf einen Hocker. »Meine Familie lebt seit zwei Jahrhunderten in Baalbek oder, wie die Hellenen sagten, in Heliopolis, der Sonnenstadt. Dort standen wunderbare Riesentempel, die den heidnischen Göttern geweiht waren. Der größere wurde von einem Erdbeben zerstört, der kleinere schon vor Jahrhunderten zur Kirche gemacht.«
    »Wie die Johanneskathedrale in Damaskus?«
    »Genau so. Nur gab es in Heliopolis auch nach dem Verbot der heidnischen Religionen noch viele Anhänger der alten Götter. Vor allem unter der Oberschicht, den Rhetoren, Philosophen und Wissenschaftlern. Alles Menschen, die das alte Wissen bewahren wollten. Auch meine Familie gehörte dazu. Jeder in der Stadt wusste das, auch wenn die christlichen Priester dagegen wetterten.«
    »Aber sie taten euch nichts?«
    »Warte es ab. Vor rund einhundertzwanzig Jahren schlug ein Blitz in den Tempel ein, der samt der Kirche darin ausbrannte. Die Christenpriester lagen Kaiser Justinianus mit der Behauptung in den Ohren, das sei die göttliche Strafe für die heidnischen Umtriebe in Heliopolis. So ließ er eine strenge Untersuchung durchführen und allen nochmals das Verbot jeglichen Heidentums einschärfen – bei Todesstrafe!«
    »Und wurden Mitglieder deiner Familie getötet?«
    »Nein, damals noch nicht, obwohl die gebildeten Hellenen nur zum Schein das Christentum annahmen. Heimlich hielten sie weiter den alten Göttern die Treue und

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