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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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um einige Scheite im Kaminfeuer nachzulegen.
    »Du meinst also, dass Gott mir meine Taten vergibt, wenn ich mich taufen lasse?«, brummte er.
    »Ja, wenn Ihr bereut und Buße tut, so ist das möglich.«
    »Selbst schwere Sünden?«
    Padraich zögerte, dann nickte er. »Davon bin ich überzeugt. Was bedrückt Euer Gewissen?«
    Gibuld starrte eine Weile in die emporzüngelnden Flammen, bevor er sich umwandte. »Ich habe so manchen Mann erschlagen. Darunter leider, in meiner Jugend, als wir noch weiter südlich in den Bergen wohnten, einen heiligen Einsiedler. Gemeinsam mit meinem Vater.«
    Der alte Krieger verstummte und musterte Padraich, die Daumen in seinen Ledergürtel eingehängt.
    Nach einer Weile fragte dieser still: »Warum habt ihr den Mann getötet?«
    »Er hatte sich eine Hütte in unserem besten Jagdrevier gebaut und vertrieb das Wild. So jedenfalls meinten wir, als wir eines Tages betrunken vorbeiritten. Als wir ihm das vorhielten, eiferte er und drohte meinem Vater die ewige Verdammnis an, weil der seine eigene Nichte geheiratet hatte. Mein Vater war ein jähzorniger Mensch und zog sein Schwert …«
    Padraich trank einen Schluck Met, um Zeit zu gewinnen, bevor er antwortete. »Gott kann selbst solche Sünden verzeihen, wenn Ihr Christ werdet, aufrichtig bereut und Euren Lebenswandel ändert. Ich werde für Euch beim Grab des Apostels Petrus in Rom beten.«
    Gibuld seufzte erleichtert auf. »Damit nimmst du mir eine schwere Last von der Seele. Jetzt bin ich selbst alt und gehe bald zu meinen Ahnen ein. Immer öfter erscheint mir in letzter Zeit im Traum das blutverschmierte Gesicht dieses Einsiedlers.« Er griff zum Methumpen, nahm einen kräftigen Schluck und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Morgen lasse ich mich taufen. Aber«, bei diesen Worten glitt ein Schatten über sein Gesicht, »was ist dann mit meinem Vater? Treffe ich den auch in deinem Paradies?«
    »Nein«, entgegnete Padraich diesmal ohne zu zögern, »für ihn gibt es keine Rettung. Er kann ja nachträglich nicht mehr …«
    »Und mein Großvater«, drängte Gibuld, »der keine große Sünde begangen hat?«
    »Ich wüsste nicht, wie das möglich sein sollte«, antwortete der Mönch, dem unwohl war. »Mit Eurem Übertritt zum wahren Glauben beginnt ein neuer Abschnitt im Leben Eurer Familie. Eure Kinder werden …«
    »Ich hab keine mehr«, unterbrach ihn der Alte, »sind alle bereits gestorben. Und meine Frau auch, bei der Geburt des letzten. Die können also auch nicht …?«
    »Nein!«
    Einen Augenblick sann Gibuld nach, strich sich über Stirn und Augen, bis er zu einem Entschluss gekommen zu sein schien. Seufzend legte er seine Hand auf Padraichs Schulter, der sich unwillkürlich vom Tisch erhob.
    »Ich werde mich nicht taufen lassen. Alleine in deinem Paradies? Da will ich nicht sein. Lieber bin ich nach dem Tod mit meiner Familie zusammen, wo immer sie sein mag.« Als Padraich etwas einwenden wollte, fügte der alte Krieger hinzu: »Kein Wort weiter, die Sache ist entschieden. Grolle mir nicht und geh jetzt.«
    Zwei Tage später war Padraich bereits wieder auf der Wanderschaft. Die Frühjahrssonne schien durch die noch blattlosen Bäume, die Meisen zwitscherten, und auf dem Rücken trug er einen Sack voll geräucherter Würste, Käse und Brotlaibe, die ihm Gibulds Diener gebracht hatten. Doch im Innersten seines Herzens war er verzagt, weil er in den heiligen Schriften keine Antwort auf den Wunsch des alten Kriegers finden konnte.
    ***
    Zwei Wochen benötigte er, um die Donau zu erreichen, unterwegs gelegentlich von misstrauischen Bauern als herumstreunender Viehdieb geschmäht. Am Fluss war ihm jedoch erneut das Glück hold und er fand ein Schiff, das ihn stromabwärts mitnahm. Vorbei an linkerhand steil aufragenden Felsen, die sich mit Weinbergen abwechselten, ging die Fahrt, bis eines Nachmittags die Mauern und Türme der Stadt Reganesburg vor ihnen auftauchten. Der Kapitän ließ unter der Flussmauer anlegen, so dass Padraich an Land springen konnte. Den Kopf staunend nach oben gereckt, trat er unter den Bogen des riesigen Nordtors, das sich mit seinen aus Quadern gefügten Fensterreihen drohend über ihm erhob. Doch auf der anderen Seite hatte er das Gefühl, nicht eine Stadt wie Colonia, sondern ein Dorf zu betreten: In dem riesigen Mauergeviert ragten vereinzelt efeuüberwucherte Ruinen auf, zwischen denen einstöckige Fachwerkhäuser mit hohen Strohdächern standen. Kühe grasten unter blühenden

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