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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Geblöke einer Schafherde vernahm, die auf ihn zukam. Er fragte ihren Hirten nach dem nächsten Stadttor – erst auf Latein, um es dann, als dieser ihn nur verständnislos anglotzte, mit seinen fränkischen Brocken zu versuchen. Der Junge zeigte nach Süden und bald stand er vor einem von zwei Türmen flankierten Bogen, der auf eine große Straße führte. Sie war von Ruinen eingefasst und schien bis zum anderen Ende der Stadt zu reichen. Als er die grasüberwucherten Steinplatten entlangschritt, im Ohr das Klacken seines Wanderstabes, kam er sich unendlich einsam vor. Einen Augenblick bedauerte er es, Memilians Gastfreundschaft ausgeschlagen zu haben, doch zugleich peinigte ihn das Schuldgefühl, und er wusste, dass er nicht länger dieses Lügengespinst hätte weben können. Du sollst kein falsches Zeugnis geben, schoss es ihm durch den Kopf, voll Scham musste er an seinen selbstgerechten Wortwechsel mit Kevin dem Barden denken. Dann begann ihn der Hunger zu plagen und seine Sorgen in den Hintergrund zu drängen, so dass er beschloss, beim Hafen nach einem Mahl und einem Bett zu fragen. Vielleicht konnte er dem Kapitän beim Beladen des Schiffes zur Hand gehen und übermorgen doch seine Reise fortsetzen.
    Da hörte er einen Schrei.
    Ein kurzer Schmerzenslaut, gefolgt von einem Lachen, dem nichts Freundliches anhaftete.
    Padraich erstarrte, umklammerte seinen Wanderstab, lauschte.
    Die Schatten der hereinbrechenden Nacht erfüllten die schnurgerade Straße. Niemand war zu sehen. Schwalben jagten über den Himmel, an dem Schleierwolken im Abendrot schimmerten. Grillen zirpten, eine Amsel flötete ihr Lied, alles schien friedlich. Langsam atmete Padraich aus und wollte seinen Weg schon fortsetzen, als ihn ein erneuter Schrei zusammenzucken ließ. Ein Stück voraus, aus einer der Querstraßen, die bereits im Dunkel versanken. So leise er konnte, lief er los, während Schmerzenslaute, Wortfetzen und Gelächter an sein Ohr drangen. Ein Dutzend Schritt weiter sah er eine Gestalt auf die Hauptstraße stolpern und längs hinschlagen. Padraich huschte zum Rand der Straße, drückte sich in das leere Portal einer Ruine und beobachtete, wie zwei Männer zu dem Gestürzten liefen. Der eine warf etwas Klirrendes auf die Steinplatten, während der andere den Mann am Boden anfuhr.
    »Da hast du dein dreckiges Geld. Jetzt gib uns den Schuldschein!«
    Der Gestürzte richtete sich auf. Padraich konnte erkennen, dass es sich um einen alten Mann mit grauen Haaren und einem langen Bart handelte. Seine Antwort war auf die Entfernung nicht zu verstehen, doch schien sie die Männer zu erbosen, denn sie begannen, ihn zu treten.
    Da hielt es Padraich nicht länger in seinem Versteck, er lief zu der Gruppe und schrie erzürnt: »Lasst ihn! Was tut ihr da?«
    Die zwei wandten sich um, und Padraich sah, dass es Franken sein mussten, denn sie trugen lange, unten zusammengebundene Hosen, dazu Stiefel, weite Hemden und Ledergürtel, in denen Messer steckten. Der größere der Männer, dessen Obergewand eine Goldfibel schmückte und der ein Kurzschwert am Gürtel trug, stierte den Neuankömmling ungläubig an. Dann lachte er höhnisch.
    »Na, was sucht uns denn da heim?« Er legte den Kopf schief und fragte herausfordernd: »Wer bist du?«
    »Padraich, ein irischer Peregrinus. Warum misshandelt ihr den armen Mann?«
    »Nun, er könnte uns gereizt haben. Oder vielleicht macht es uns einfach Spaß. Wer kann das so genau sagen?« Der Franke, ein Mann mittleren Alters, hob den Zeigefinger zu einer spöttischen Drohgebärde. »Auf jeden Fall geht es dich nichts an. Weißt du, mein Mönchlein, was du am Ende dieser Straße findest?« Unwillkürlich schüttelte Padraich den Kopf. »Da liegt rechts ein Kirchlein und links ein Kirchlein. Du suchst dir eines aus und betest schön fleißig für unser Seelenheil. Aber ganz hurtig, denn Grifos Geduld währt nicht ewig!«
    Padraich spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Doch er beherrschte sich, trat zu den Franken und sah dem Wortführer ins Gesicht. »Gottes Geduld auch nicht!«
    Grifo sah ihn verblüfft an, dann runzelte er die Stirne und verzog den Mund. »Was erwartet der Herr? Dass ich armer Sünder jetzt einen verzagten Furz lasse? Oder sollten wir in unserem Langmut«, dabei wandte er sich an seinen Kumpan, »dieser bemalten Vogelscheuche erklären, an was für einen Klumpen Kot sie ihr Mitleid verschwendet?« Er zeigte auf den Alten am Boden, der stöhnend seinen Knöchel befingerte. »Diesem

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