Sie kamen bis Konstantinopel
Apfelbäumen, aus der Ferne klang das Hämmern einer Schmiede, Fliegen summten über einem Misthaufen, in einem Tümpel quakten Frösche. Eine junge Frau kam Padraich entgegen, einen Wasserkrug auf der Schulter, von zwei blondbezopften Mädchen begleitet, die den Fremden mit großen Augen anstarrten. Als er sich erkundigte, wo er den Bischof Haimhram finden könne, lächelte die Frau ihn freundlich an und zeigte auf eine übermannshohe Palisade, die einen Bereich inmitten des weiten Mauergevierts abgrenzte.
Zwei Wachen mit aufgepflanzten Speeren ließen ihn nach kurzem Wortwechsel passieren, so dass er bald vor einem herrschaftlichen Haus stand, dessen Stützpfosten, von weiß verputzten Mauerstücken getrennt, geschnitzt und rot bemalt waren. Ein Diener, den Padraich nach Haimhram fragte, begleitete ihn zu einem Nebengebäude, vor dem ein Mann in der Sonne saß, dessen Finger über die Zeilen eines Buches glitten. Padraich sprach ihn auf Latein an, worauf der Lesende aufblickte und lächelnd den Gruß erwiderte.
»Ja, ich bin Haimhram. Setz dich.« Der mit einem dunklen, einfachen Umhang bekleidete Mann mochte gut fünfzig Jahre zählen. Sein Schädel war kahl, der dunkle Bart ohne graue Strähnen, die freundlich blickenden Augen von Lachfältchen umgeben. Nachdem er den Brief des Kölner Bischofs studiert hatte, lud er den Mönch ein, in seinem Haus zu wohnen.
So begann Padraichs Zeit in Reganesburg. Er erfuhr, dass der fränkische Bischof vor zwei Jahren auf der Durchreise zu den Awaren an den Hof des Herzogs Theodo gekommen war. Der jedoch hatte den Kirchenmann so inständig gebeten, sein Leben nicht der Mordlust der Heiden zu opfern, sondern lieber den Glauben im Bajuwarenland zu festigen, dass Haimhram in der Hauptstadt der Agilolfinger geblieben war.
Manchmal begleitete Padraich den Bischof, wenn er die umliegenden Gemeinden besuchte, und verwunderte sich über den unendlichen Langmut, mit dem der Bischof versuchte, die heidnischen Gebräuche seiner Herde nicht etwa zu verdammen, sondern sie möglichst im christlichen Sinne umzudeuten.
»Sollten wir nicht den Glauben rein und unverfälscht predigen, so wie es die Kirche vorschreibt?«, fragte er eines Abends, als sie nach dem Gebet im Scheine einer Kerze zusammensaßen.
»Natürlich wäre das besser«, antwortete der Bischof verständnisvoll. »Nur müssen wir mit menschlicher Schwäche Nachsicht üben. Wie sollen wir sonst die Schwankenden auf den rechten Pfad führen?«
»Aber es muss doch Grenzen geben«, rief Padraich aus. »Der heilige Columbanus hat …«
»… in Brigantium sogar aus einer Kirche die Götzenbilder werfen müssen«, unterbrach ihn der Bischof. »Ich weiß. So verkommen sind mancherorts die Sitten bei denen, die sich hier Christen nennen.« Er saß einen Augenblick da, dann blickte er Padraich in die Augen. »Aber hat Jesus nicht gerade durch Milde und Verzeihen mehr Besserung bewirkt als die Pharisäer mit ihrem Pochen auf Gesetzen und Vorschriften?«
»Ja schon. Nur sollen wir denn alles dulden?«, empörte sich der junge Mönch. »Wer sagt mir, wo ich die Grenze ziehen muss? Wo steht es geschrieben?«
»Nirgendwo, du musst in dich horchen und deinem Gewissen vertrauen.« Haimhram stand auf und durchmaß mehrfach die Stube, wobei eine Bohle unter seinem Tritt knarzte. »Das ist schwer, ich weiß.«
»Letztes Jahr bin ich selbst aus der Haut gefahren«, seufzte er schließlich. »Da zerrte doch tatsächlich eine heidnische Zauberin eine Ziege heran, um sie zu opfern. Als Dank für erfolgreiche Beschwörungen wollte sie das arme Vieh genau auf dem Altar der Kirche schlachten, in der ich gerade meinen Gottesdienst abgehalten hatte!« Der Bischof lächelte milde. »Dabei führte die alte Vettel nichts Böses im Schilde. Sie hatte einfach keine Ahnung, was Christentum bedeutet. Seit die Frankenherrscher den katholischen Glauben angenommen haben, meinen manche, sich gut mit unserem Gott stellen zu müssen.«
Der Bischof setzte sich wieder und goss sich sowie dem Mönch aus einem braunen Krug Bier nach. »Leider sind die Mächtigen alles andere als Vorbilder. Ein Dutzend Tagesreisen östlich von hier soll ein gewisser Samo hausen. Er nennt sich Christ, herrscht über einen Haufen Heiden und lebt mit zwölf Weibern zusammen. So viele, wie Jesus Jünger hatte. Und trotzdem«, Haimhram legte seine Hand auf den Unterarm des Mönches. »Denk mal an die Geschichte von dem alten Krieger, die du mir erzählt hast.«
»Gibuld aus
Weitere Kostenlose Bücher