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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Ort?«
    »Woanders können wir nicht ungestört reden«, entgegnete sie und lächelte ihn an, doch sogleich fiel wieder ein Schatten über ihr Gesicht. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll …«
    »Beginnt beim Anfang«, antwortete Patricius, unwillkürlich einen Ausspruch des Bischofs zitierend.
    Uta zögerte, befingerte das Fibelpaar, das ihr langes Leinenkleid zusammenhielt, und fasste sich schließlich ein Herz.
    »Ich bin in einer schrecklichen Lage«, gestand sie. »Ich habe mich verliebt. In Sigipaldus, einen Mann am Hofe meines Vaters.«
    »Aus Theodos Gefolge? Aber was ist daran verwerflich?«
    »Nun«, ihre Stimme zitterte, »ich habe mit ihm …«
    Sie verstummte. Patricius wartete und verscheuchte einige umherschwirrende Mücken, bevor er leise ergänzte: »Unzucht getrieben?«
    »Ja, und jetzt«, Utas Stimme versagte,.»jetzt bin ich schwanger!«
    »Weiß das Euer Vater?«
    »Nein!« Das Mädchen ergriff seinen Arm. »Er darf es auch nicht erfahren. Sigipaldus ist nur ein kleiner Höfling. Mein Vater würde ihn in Stücke hauen lassen! Ich brauche deine Hilfe.«
    Patricius schob unwillkürlich ihre Hand weg, besann sich aber und antwortete zurückhaltend. »Ich weiß nicht, wie ich da helfen könnte.«
    »Aber die Kirche kann vielleicht irgendetwas tun …«
    »Die Kirche? Wollt Ihr in ein Kloster gehen?«
    »Nein.« Uta begann zu weinen. »Nein, aber bitte hilf mir. Bestimmt weiß der Bischof Rat.«
    »Ich kann ihn fragen«, gab Patricius zu bedenken. »Doch am Besten beichtet Ihr alles ihm selbst. Wartet einen Augenblick, dann folgt mir.«
    Er schob die Weidenzweige beiseite und ging mit raschen Schritten zum Tor. Ohne sich umzusehen durchquerte er den Bogen und gelangte in der Abenddämmerung bis zu dem Haus, in dem er mit dem Bischof wohnte. Kurze Zeit darauf pochte es, er ließ das Mädchen herein und führte es in Haimhrams Kammer, dem er schon von dem seltsamen Ansinnen berichtet hatte.
    »Bitte lass uns eine Weile alleine«, bat ihn der Bischof.
    Patricius wollte etwas einwenden, schwieg dann aber, ging hinaus und setzte sich auf die Bank vor dem Haus. Er trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Holz, sah den Fledermäusen nach, die über den Himmel flatterten, und lauschte den Grillen, die im Grase zirpten. Endlich knarrte die Türe und das Mädchen huschte hinaus, um mit einem leisen »Danke« in der Dunkelheit zu verschwinden. Doch als Patricius eintrat und den Bischof fragend anblickte, legte der nur stumm den Finger an die Lippen.
    Die nächsten Wochen vergingen in seltsamer Anspannung. Langsam wich die Augusthitze, der erste Herbststurm fegte über das Land, riss lose Äste von den Bäumen und peitschte das Wasser der Donau zu weißen Schaumkronen auf, so dass alle Schifffahrt ruhen musste. Der Bischof war schweigsam geworden, eine schwere Last schien seine Seele zu bedrücken, doch wenn ihn Patricius darauf ansprach, winkte er stets ab und meinte, die Zeit sei noch nicht gekommen.
    Am Abend des fünfzehnten September rief Haimhram den Mönch zu sich. Wieder saßen sie bei einem Krug Bier an dem Eichentisch mit der fleckigen Platte, an dem sie so manche angeregte theologische Diskussion geführt hatten. Im Leuchter flackerte eine Kerze, ein pelziger Nachtfalter summte um die Flamme und kam ihr mehrfach gefährlich nahe, bis ihn der Bischof mit einer energischen Handbewegung verscheuchte.
    »Ich muss dir etwas sagen«, unterbrach er die Unterhaltung, die sich um Fragen der fünf Bücher Moses gedreht hatte. »Ich werde übermorgen nach Rom aufbrechen. Willst du mitkommen?«
    »Gerne, nur warum diese Hast?«, wollte Patricius wissen.
    »So können wir noch die Berge überqueren, bevor Schnee die Wege unpassierbar macht.«
    »Das verstehe ich«, entgegnete der Mönch. »Aber was treibt uns zu solcher Eile? Sollten wir nicht das Frühjahr abwarten?«
    »Dann wird es zu spät sein. So lange kann ich nicht mehr bleiben.«
    Patricius starrte auf die Tischplatte mit ihren Astlöchern, eine tiefe Unruhe bemächtigte sich seiner. »Bitte sag mir, was dahintersteckt«, bat er.
    Haimhram zögerte, strich sich über die Glatze und seufzte schwer. »Du weißt, dass Uta schwanger ist.«
    »Ja, von Sigipaldus, sagt sie, einem Mann aus dem Gefolge des Herzogs. Wovon ihr Vater noch nichts weiß.«
    »Er wird es auch nicht erfahren. Ich habe Uta gestattet, mich als den Vater zu benennen.«
    Patricius hatte das Gefühl, als habe ihm jemand einen nassen Lappen ins Gesicht geschlagen. »Du hast sie zu

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