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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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einer Lüge ermuntert? Ein Mann der Kirche?«
    Der Bischof hob abwehrend die Hand. »Urteile nicht vorschnell. Sie ist im vierten Monat, bald wird es jeder sehen. Wenn sie Theodo den richtigen Vater nennt, lässt der Herzog den Jungen zerstückeln. Oder rösten. Oder pfählen.«
    »Ja und? Wenn er Hurerei treibt?«
    »Du weißt nicht, was du da redest«, fuhr ihn der Bischof an. »Außerdem ist Sigipaldus' Vater, der Richter, mein Freund und ein führendes Mitglied der Gemeinde. Ich kann nicht so tun, als sei mir das alles gleichgültig!«
    Für kurze Zeit herrschte Schweigen im Raum, von draußen war das Trällern einer Nachtigall zu vernehmen. Patricius sah sein Gegenüber ernst an. »Und dir, meinst du, kann nichts geschehen?«
    »Nein, dazu hat der Herzog zu viel Respekt vor einem Bischof. Aber es ist besser, wenn ich schon weg bin, wenn er es erfährt. Ich habe ihm gesagt, dass ich wegen einer Sünde nach Rom pilgern muss, um den Heiligen Vater um Vergebung zu bitten. Also – kommst du mit?«
    »Ja«, antwortete Patricius, doch mit einem schlechten Gefühl im Bauch.
    ***
    Einige Tage später wanderten sechs Männer durch das Voralpenland. Sie gingen mit stetigen, weit ausgreifenden Schritten, als läge ihnen daran, möglichst bald ihr Ziel zu erreichen. Den Anfang machte der Bischof mit kahlem Haupt und vollem Bart, gefolgt von vier Dienern, die Vorratssäcke trugen. Der kräftige, hochgewachsene Patricius mit Wanderstab beschloss den Zug. Zarte Nebelschwaden hingen über der hügeligen Landschaft, deren Täler bereits im Grau versanken. Vor ihnen übergoss die Abendsonne die Gipfel der Berge mit rosa Schimmer, in der Ferne keckerte ein Eichelhäher. Schweigend folgten die Männer dem schmalen Trampelpfad, der sich durch die Wiesen zum nächsten Dorf wand.
    »Halt!« Die Stimme des Mönchs durchbrach die friedliche Abendstimmung. Alle erstarrten. »Da ist doch was!«
    Die Männer standen stumm, die Gesichter angespannt. Lauschten. Zuerst nichts, dann, kaum hörbar, Pferdegetrappel. Hinter ihnen, noch weit entfernt. Auf dem Weg, den sie gekommen waren. Fragend blickte der Mönch dem Bischof ins Gesicht, erschrak und kniff ungläubig die Augen zusammen. Einen Herzschlag lang schien es ihm, als würde es von einem Nebelschleier verdeckt.
    »Beeilen wir uns!«, drängte Patricius. »Da vorne liegt das Dorf mit dem herzoglichen Rasthaus. Dort sind wir in Sicherheit.«
    Niemand sagte etwas, doch alle beschleunigten ihre Schritte. Nach etwa einer Viertelstunde erreichten sie die Ansammlung schindelgedeckter Holzhäuser, zwischen denen sich Misthaufen erhoben. An einer Scheune, vor der ein großer Granitfindling aus dem Gras ragte, blieb Haimhram stehen und rang nach Atem. »Ich glaube, ich bin doch etwas zu alt für solche Gewaltmärsche«, ächzte er und betrachtete ein Heiligenbild an der Holzwand, das von einer Laterne beleuchtet wurde. Einige Einheimische traten in den Lichtkreis und grüßten scheu.
    »Dient das Haus euch als Gebetsraum?«, fragte der Bischof. Ein alter Mann nickte stumm. »Dann wollen wir hier gemeinsam Gottes Segen für unsere Wanderschaft erflehen.«
    »Sollten wir nicht lieber …«, wollte Patricius einwenden, doch Haimhram gebot ihm Schweigen und öffnete die Türe. Die Bauern des Dorfes nahmen die Laterne vom Haken und folgten den sechs Wanderern, doch kaum hatten sich alle zum Gebet niedergekniet, als draußen Hufgetrappel, Pferdeschnauben und Waffengeklirr erschallte. Patricius hastete zum Eingang und sah, wie ein halbes Dutzend Reiter die tänzelnden Pferde zügelte. Als er den blonden Schopf, die spitze Nase und die herrischen Züge erkannte, lief er zurück, während Flüche von draußen hereindrangen.
    »Es ist Lantpert mit seinen Mannen!«
    Der Bischof nickte und wandte sich zu der kleinen Gemeinde, die sich in der Scheune versammelt hatte. »Die da gekommen sind, machen sich durch ihre Unehrerbietigkeit uns gegenüber nicht schuldig, sondern wir müssen von ihnen unseren Lohn empfangen.« Bei diesen Worten zog er ein versiegeltes Päckchen aus seinem Umhang und drückte es Patricius in die Hand. »Für den Heiligen Vater. Wenn mir etwas zustoßen sollte.«
    In diesem Augenblick traten zwei bewaffnete Männer durch die Türe, ergriffen den Bischof und zerrten ihn auf den Vorplatz. Als Lantpert ihn erkannte, ließ er sich aus dem Sattel auf den Felsblock gleiten. Auf eine Lanze gestützt, grinste er Haimhram von oben herab hämisch an.
    »Heda, unser Bischof und Schwager. Wohin so

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