Sie kamen bis Konstantinopel
ertrank?
Wieder hob der dicke Mann den Becher, setzte ihn an die Lippen, und jetzt schluckte er schlürfend. Daud sah den Adamsapfel pulsieren, und einen Herzschlag später geschah es. Wie von einem glühenden Eisen berührt, schleuderte Ammârs Hand den Becher zu Boden und zuckte zum Unterkiefer, während seinem Mund ein gurgelnder Schrei entfuhr. Der Junge sah, wie der Mann etwas ausspuckte, wobei er fluchte und stöhnte, während die anderen beiden aufgesprungen waren und sich zu ihm herunterbeugten. Immer mehr Kämpfer liefen herbei, und auch Daud gesellte sich zu der Gruppe und fragte in besorgtem Ton.
»W… was ist ge… geschehen? Was hat er?«
»Etwas scheint ihn in die Zunge gestochen zu haben«, rief jemand in diesem Augenblick, und Daud musste alle Selbstbeherrschung aufbieten, um sich sein Triumphgefühl nicht anmerken zu lassen. Der Schmerz, den der verhasste Ammâr jetzt erlitt, war nur ein winziger Vorgeschmack, verglichen mit der Strafe, die er für seine Taten verdient hatte. Für den Mord an dem Kalifen, die Peitschenhiebe und den Tod Theklas. Eines Tages, dessen war sich Daud gewiss, würde er stark genug sein, ihn zum Kampf zu fordern und ihm sein Schwert in den Wanst zu rammen.
Doch dazu sollte es nie kommen.
»Holt einen Hakim«, gellte eine Stimme durch den Raum, »im Lager der anderen ist einer, schnell!« Daud sah, wie zwei Männer zum Ausgang rannten und in der Nacht verschwanden. Verwundert schüttelte er den Kopf. All das wegen eines Wespenstiches? Doch als er sich vorsichtig der Stelle näherte, wo Ammâr saß, erschrak er über die Veränderung, die mit dem pustelübersäten Gesicht vor sich gegangen war. Der Mund stand offen, pfeifend entwich der Atem, und Mundpartie wie Hals wirkten dick geschwollen. Daud drängte sich noch näher, sah, wie sich der ganze Körper in Zuckungen wand, wie der Mann sich an die Gurgel griff, während sein Gesicht blau anlief, und er mit fast unverständlicher Stimme röchelte. »Helft mir … ich ersticke …«
Die Umstehenden riefen wild durcheinander, aber niemand konnte sagen, wie zu helfen sei, während Ammârs Augen aus den Höhlen traten und er langsam zu Boden sank. Sein Mund schien Worte formen zu wollen, doch außer hilflosem Lallen drang kein Laut über die geschwollenen Lippen. Allmählich erstarben die zuckenden Bewegungen, bis der Mann zuletzt mit offenen Augen liegen blieb. Als wenig später der Arzt neben ihm kniete, konnte er nur noch den Tod feststellen.
»Das ist die Strafe Allahs«, hörte Daud einen Mann neben sich murmeln, und er nickte unwillkürlich, obwohl er an andere Untaten dachte als an den Weingenuss. Plötzlich überfiel ihn Erschöpfung, sein Kopf war leer, und er schlurfte zu seinem Nachtlager, wo er bald darauf einschlief.
***
Die folgenden Tage erlebte Daud wie durch einen Schleier. Am nächsten Morgen wurde Ammâr begraben, während man die gefangenen Nasrani freiließ und ihnen die Leiche Theklas übergab, die sie mit düsteren Mienen entgegennahmen, um sie in der Kirche des Dorfes aufzubahren.
Anschließend brach die Karawane auf. Schweigend ritten die Männer, bis sie am späten Nachmittag nach Fustat gelangten, dem großen Feldlager, das Amr Ibn-el As, der Eroberer Ägyptens, vor fünfzehn Jahren angelegt hatte, als er die benachbarte Rumfestung Babylon belagerte. Nach wie vor bildete es das Zentrum der Muslime in der eroberten Provinz, und um die große, überdachte Ziegelmoschee scharten sich Zelte und einfache Lehmziegelhäuser. Als die Männer die staubige Hauptstraße des Ortes entlangritten, wurden sie überall von Freudenrufen der Glaubenskämpfer begrüßt. Einer nach dem anderen verschwand in den Seitengassen, bis zuletzt nur noch Amr, einige seiner Männer und Daud übrig waren. Der Anführer rief den Jungen zu sich und musterte ihn.
»Es scheint, als habe es Allah beliebt, deiner Knechtschaft schneller als erwartet ein Ende zu setzen.« Daud nickte stumm und fragte sich, was der seltsame Tonfall bedeuten solle, doch Amr fuhr fort. »Halt dich weiter vom Wein fern und kehre mindestens ein Jahr lang nicht nach Medina zurück. Wenn du mir das schwörst, kannst du von mir aus gehen, wohin du willst …«
»Ich schwöre es«, antwortete Daud mit klarer Stimme, und diesmal war er sich gewiss, dass er nicht in Versuchung geraten würde, den Schwur zu brechen. »Ich möchte so gerne zum Meer …«
»Dann solltest du nach Alexandria gehen«, erwiderte der hagere, sonnengebräunte Mann und lächelte.
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