Sie kamen bis Konstantinopel
die Mundwinkel. »Warum muss man dir alles sagen? Kannst du nicht mitdenken?«
»Herrin, ich habe …«
»Ach, schweig. Du bleibst dein Lebtag ein Landtrampel. Mein Vater hätte dich nie mit in die Stadt nehmen dürfen.«
»Der Herr wollte euch sprechen, hat er mir eben zugerufen.«
»Ja, warum sagst du mir das nicht gleich?« Pelagia spitzte den Mund, besah sich erneut im Spiegel, steckte eine hellbraune Haarlocke hoch und strich sich über den Hals. »Nachher kannst du mir meine Haut mit Mandelöl einreiben. Ganz sanft, nicht so grob wie das letzte Mal.«
»Ja, Herrin, aber Ihr hattet doch …«
»Widersprich mir nicht!« Pelagia reichte ihr ungeduldig den Spiegel, nahm rasch noch ein Stück Gebäck und schritt kauend auf die Treppe zu. »Ich spreche jetzt mit meinem Vater, danach kannst du mir die Sänfte rufen.«
Wenig später öffnete sie eine Türe, die mit großen Sternen aus dunklem Holz und hellem Elfenbein verziert war. Innen saß ein fünfzigjähriger, bärtiger Mann an einem Tisch, auf dem sich Papyrusblätter stapelten. Daneben reihten sich ein bronzenes Tintenfass und ein Abacus, während eine Wasseruhr in der Ecke monoton tropfte.
Pelagias Vater wies auf einen Sessel. »Bitte setz dich. Ich muss mit dir reden.«
»Gerne.« Das Mädchen schnupperte übertrieben. »Warum riecht es bei dir immer so muffig, wie nach verstaubten Schriften?«
Ihr Vater sah sie ärgerlich an und zog seine braune Tunika zurecht, die seine Schulter bedeckte. »Vermutlich weil das Zimmer voll davon ist.« Er wies auf zwei große Schränke. »Oder glaubst du, die Verwaltung unseres Gutes erledige sich im Singen?« Pelagia lachte. »Das wäre doch einmal eine Abwechslung.« Sie rümpfte wieder die Nase. »Aber trotzdem könntest du öfter mal lüften. Ich wollte übrigens nachher zum Juwelier, um zu sehen …«
»Auch deswegen wollte ich dich sprechen«, unterbrach sie ihr Vater brüsk. »Du wirst da nichts kaufen!«
Pelagia verzog den Mund. »Warum nicht? Bist du mir böse?«
»Nein. Nur haben wir kein Geld für so etwas!«
»Was ist denn in dich gefahren? Seit Wochen habe ich bei Samuel nur Korallen und Steine angesehen. Der letzte Armreif …«
»Und dabei wird es auch bleiben«, brauste ihr Vater auf. »Wir sind am Ende!«
Pelagia verstummte, runzelte die Stirne, stand auf, ging zu dem Tisch und nahm besorgt die Hand ihres Vaters. »Was ist geschehen, Lucius?« Seit Kindertagen sprach sie ihren Vater mit seinem Vornamen an, wenn sie seine Nähe suchte.
Der Mann erhob sich besänftigt und zog sie an sich. »Setz dich wieder. Und höre mir zu.« Er strich sich über den Bart, nahm einen Papyrusbogen und hielt ihn seiner Tochter hin, die erst jetzt betroffen die Tränensäcke unter seinen Augen bemerkte.
»Hier ist die Aufstellung unserer Finanzen. Du bist klug und kannst rechnen. Seit wir unseren Besitz bei Leptis Magna verloren haben, müssen wir von unserem Gut in Thugga leben. Das geht gerade, wenn die Olivenernte gut ist, der Weizen gedeiht und wir nicht wieder den Abzug der Sarazenen erkaufen müssen. Jetzt fordert der Kaiser aber Sonderabgaben für seine Soldaten …«
Pelagia studierte den Papyrus, dann ließ sie ihn langsam sinken. »Und Mutter hat tatsächlich ihren Schmuck verkaufen müssen?«, fragte sie mit stockender Stimme. Ihr Vater nickte stumm. »Aber ohne Geld wird mich kein Mann nehmen«, jammerte Pelagia und wischte sich die Augen, »jedenfalls keiner, den ich mir wünsche!« Sie nahm erneut ihres Vaters Hand. »Lucius, als ich klein war, hast du immer Rat gewusst. Was sollen wir tun?«
Ihr Vater saß eine Weile schweigend da, bevor er antwortete. »Du bist ein ganz besonderes Mädchen.« Sein Daumen strich über die Hand seiner Tochter. »Etwas könntest du tun, aber es erfordert viel Wagemut.«
»Meinst du etwa, dass es mir daran fehlen würde?«
»Nein, natürlich nicht. Wenn ich an deine wilden Ritte denke …« Er lächelte versonnen, bevor sein Gesicht wieder ernst wurde. »Hör mir genau zu. Ich habe von dem Exarchen erfahren, dass Kaiser Konstans in Italien gelandet ist. Er will die Langobarden vertreiben, und man munkelt, dass er sogar die Hauptstadt wieder nach Rom verlegen könnte, wie es schon frühere Kaiser erwogen haben.«
Pelagia runzelte die Stirn. »Er hat Konstantinopel verlassen? Warum das?«
»Er soll dort beim Volk verhasst sein, außerdem stürmen die Sarazenen immer weiter voran. Vor einigen Jahren hat der Kaiser höchstselbst bei einer Seeschlacht eine
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