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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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hässlichen Laut, als ob etwas zerrissen würde, dann hatte das Schwert das Genick durchtrennt. Theklas Kopf flog zur Seite, während der Körper mit dem blutspritzenden Hals nach vorne fiel. Von der Wucht des Hiebes vorwärtsgerissen, stolperte Ammâr, ließ die Waffe fahren und starrte fassungslos auf den Körper, dessen Blut seine Sandalen rötete.
    Daud würgte der Ekel, dass er meinte, ersticken zu müssen. Als er aufsprang, um zum Ausgang zu stürzen, hörte er die kreischende Stimme des Alten mit dem weißen Turban: »Du elender Sohn einer Hündin, du hast sie getötet, du von den Dschinn Besessener hast mir meine …« – dann kniete er draußen und übergab sich. Immer wieder packte ihn der Krampf, krümmte er sich zusammen und würgte, bis nur noch Speichelfäden aus seinem Munde rannen.
    Als seine Sinne zurückkehrten, hob er den Kopf und blickte sich zitternd um, als sei dies alles ein böser Traum, aus dem er sogleich erwachen musste. Doch um ihn herum war alles völlig unbewegt, blieb die Natur gleichgültig gegenüber dem Schrecklichen, das soeben in der Halle vorgefallen war. Er sah den nachtschwarzen Himmel, an dem unzählige Sterne funkelten und über den die Schatten der Fledermäuse huschten. Die Zikaden zirpten, eines der in der Nähe lagernden Kamele schnaufte und aus dem nahen Monastir schallten wieder die dumpfen Klänge des Nakus herüber. Daud brauchte eine Weile, bis er genügend Kraft gesammelt hatte, und als er aufstand, war es Hass, kochender Hass, der ihn aufrecht hielt. Er zwang seinen Zügen einen gleichgültigen Ausdruck auf, während sein linkes Augenlid wie verrückt zuckte, betrat die Halle, sah den mit einem Tuch bedeckten Körper in deren Mitte liegen und spürte, wie ihm die Wut neue Kräfte verlieh.
    ***
    Ammâr saß einsam und zusammengesunken an seinem Platz. Er sah kurz auf, als er Daud gewahrte, und deutete stumm auf seinen Becher. Nachdem der Junge nachgeschenkt hatte, ging er in eine Ecke, setzte sich auf den Boden, lehnte sich an die Wand, schloss die Augen und ließ seinen wirren Gedanken freien Lauf. Erst als er ein Summen hörte, schrak er auf und sah, wie eine Wespe, die nicht mehr rechtzeitig zu ihrem Nest zurückgefunden hatte, angeflogen kam und sich auf die Wand setzte. Geistesabwesend beobachtete er, wie das kleine Tier ein Stück die raue Fläche emporkletterte, Halt machte und seine Flügel surren ließ. Ein kleines, schwaches Wesen, aber dennoch fähig, große Schmerzen zuzufügen, dachte er zerstreut, und dann keimte in seinem Kopf ein Gedanke. Diese Wespe war heimatlos und gefangen wie er, und Allah hatte sie ihm als Werkzeug seiner Rache gesandt. Er sah sich auf dem Boden um, bis er ein Stück alten Stoffes fand, das er so zusammenknüllte, dass er sie mit einer flinken Bewegung damit gegen die Wand pressen konnte. Behutsam öffnete er die Falten und packte das kleine Tier an den Flügeln, die er bedächtig zwischen seinen Fingerspitzen zerrieb. Sie wurden nicht mehr gebraucht. Befriedigt beobachtete er, wie sich der gelbschwarze Hinterleib wand, aus dessen spitzem Ende ein kleiner Stachel herausfuhr.
    Noch nicht, dachte er, aber gleich kannst du stechen. Da, wo es richtig schmerzt. Nur etwas Geduld …
    Er musste nicht lange warten, bis Ammâr wieder nach ihm rief. Die Augen des Mannes waren glasig, seine ausgestreckte Hand zitterte so stark, dass Daud ihn bat, den Becher auf den Boden zu stellen.
    »Mir auch Wein!«, rief ein anderer Mann, und ein dritter schob ebenfalls fordernd seinen Becher herüber. Daud holte den kleinen Krug und goss allen dreien ein, wobei er sich so vorbeugte, dass niemand sehen konnte, wie er die Wespe in Ammârs Becher fallen ließ. Danach stand er auf und stellte den Krug zurück zu den großen Vorratsgefäßen, wobei er sich verstohlen umblickte.
    Ammârs massiver Umriss verharrte regungslos, und Daud befürchtete schon, der Mann sei bereits zu betrunken oder zu müde. Doch dann sah er, wie der Arm ausgestreckt wurde, die Finger sich um das braune Tongefäß schlossen und es mit einer fahrigen Bewegung zum Mund führten.
    »Du trinkst zu viel«, sagte einer der anderen Männer, »noch bist du nicht im Paradies!«
    »Spar dir deine klugen Reden«, murrte Ammâr, doch ließ er den Becher wieder sinken und stierte ihn an. Daud durchfuhr es heiß und kalt. Ohne die surrenden Flügel würde die Wespe nicht zu hören sein, aber vielleicht zu sehen? Wie lange würde sie sich im Wein winden, bevor sie matt wurde und

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