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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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reich und mächtig werden, dass man ihn zum Hofe des Kalifen rief. Einer wunderschönen Frau würde er begegnen, die Thekla ähnelte, und die für immer sein Lager teilen sollte. Und eines fernen Tages würde er die Flotte befehligen, die Konstantinija, die Hauptstadt der Ungläubigen, erobern würde …

Teil 3: Pelagia
    Kapitel 6
    Das Haupt der Welt
(663 n. Chr.)
    »Bis in unsere Tage erstreckte sich das Gebiet der Römer vom Ozean, das heißt von Schottland, Britannien, Hispanien, Francia, Italien, Griechenland und Thrakien, bis Antiochien, Syrien, Persien, und umfasste den ganzen Orient, Ägypten, Afrika und das Innere von Afrika, und man sieht dort noch die Standbilder ihrer Kaiser in Marmor und Bronze. Denn alle Volker waren durch göttlichen Beschluss den Römern Untertan, doch heutzutage sehen wir Rom erniedrigt.«
    Jacob, der neugetaufte Jude, um 640 n. Chr.
    Die junge Frau trat aus der Türe, ging zur Brüstung, schloss die Augen und genoss die wärmenden Strahlen der Morgensonne. Über ihr kreischten Möwen, aus der Straße unter ihr drangen die Rufe der Händler, das Rattern von Handkarren und die Schreie eines Kamels, das gegen seine Last aufzubegehren schien. Eine Zeitlang stand sie stumm auf der Terrasse, die Arme auf den noch kühlen Marmor der Brüstung gestützt, versunken in ihre Gedanken. Ein leichter Wind bauschte ihr gelbes Seidengewand und trug das Rauschen des Meeres heran. Sechzehn sorglose Sommer hatte sie in dieser Villa ihres Vaters verlebt.
    An ihre Geburtsstadt Leptis Magna waren ihr kaum Erinnerungen geblieben – bis auf die schrecklichen Bilder von der Flucht der Familie. Wie ihre Amme Agnes sie als Fünfjährige nachts aus dem Bett gerissen hatte, das Schluchzen der Mutter, die gebrüllten Befehle des Vaters, die durcheinanderrennenden Sklaven und die Fackeln, in deren flackerndem Schein sie in den Reisewagen gestiegen waren. Die Flucht durch die überfüllten Straßen der Stadt, die ohnmächtigen Wutschreie derjenigen, die von den bewaffneten Dienern ihres Vaters beiseite geprügelt wurden, die endlose Fahrt nach Westen, in das noch sichere Karthago. All das malte ihre Amme immer wieder aus, wobei sie sich jedes Mal zu bekreuzigen pflegte, wenn sie die häretischen Sarazenen schilderte, vor denen sie geflohen waren. Eine Woge von Wüstenkriegern, die das Heer des Exarchen vernichtet, die Küstenstädte überschwemmt und der Provinz Tausende von Goldstücken abgepresst hatte. Doch dann war sie so unerwartet in Richtung Sonnenaufgang zurückgeflutet, wie sie einst herangebraust gekommen war. Seitdem drang die Kunde von den Schlachten des Kaisers gegen die Feinde des Reiches nur mehr wie fernes Donnergrollen in die Hauptstadt der Provinz Africa, in der das Mädchen herangewachsen war.
    Pelagia öffnete die Augen. Vor ihr, in Richtung der Sonne, überragten die roten Ziegeldächer der Antoninus-Pius-Thermen die anderen Gebäude, dahinter glitzerte das Meer. Sie streckte sich, schnupperte an ihrer Hand, die sie vorhin mit Rosenwasser benetzt hatte, und beschloss, die Sänfte zu rufen, um sich zu den Thermen bringen zu lassen. Danach könnte sie beim Juwelier fragen, ob neue Perlen eingetroffen waren und anschließend vielleicht beim Buchhändler nach alten, heidnischen Werken stöbern, die sie ungleich unterhaltsamer fand als die erbaulichen Schriften, die heutzutage verfasst wurden. Aber davor würde sie sich noch etwas stärken müssen.
    »Blandina, bring mir Pistaziengebäck mit Feigen!«, befahl sie ihrer Dienerin, die einige Schritte hinter ihr wartete.
    Wenig später stand ein Teller mit dem Gewünschten vor ihr auf der Balustrade. Das Mädchen nahm eine Feige, doch sogleich verzerrte sich ihr Gesicht vor Ekel.
    »Widerlich, die ist ja matschig!« In hohem Bogen flog die Frucht über die Brüstung, von der Straße schallte ein Fluch herauf. Pelagia prüfte ungerührt eine andere Feige. »Die kann man essen. Und jetzt geh und hole mir meinen Spiegel!«, fügte sie an die Dienerin gewandt hinzu, während sie schluckte und sich ein Stück Gebäck nahm.
    Als Blandina erneut die Treppe hinab- und wieder emporgehastet war und ihrer Herrin den kleinen Glasspiegel entgegenhielt, musterte Pelagia ihr hübsches Gesicht mit den hohen Wangenknochen, den geschwungenen Augenbrauen und den großen, dunkel umrandeten Augen.
    »Mein Haar gefällt mir nicht«, bemerkte sie missmutig mit leicht schief gelegtem Kopf. »Zu dieser Frisur gehören Ohrringe. Das hättest du sehen müssen!« Sie verzog

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