Sie kamen bis Konstantinopel
»Ich besorge die beste verfügbare Sänfte.«
Kurze Zeit später war er mit einem schäbigen Tragestuhl zurück, den Pelagia nur zögerlich bestieg, nachdem sie eingetrockneten Taubenkot weggefegt hatte.
»Seid Ihr das erste Mal in Rom, wenn ich fragen darf?«
»Ja«, entgegnete die junge Frau knapp, während sie die Umgebung musterte, die schwankend an ihr vorbeizog. Die Diener trotteten missmutig mit ihrem Gepäck hinterher.
»Dann braucht Ihr einen Führer für die Wunder der Stadt. Ihr müsst unbedingt die Kirche des Heiligen Laurentius besuchen.«
»Wozu das?«, fragte Pelagia, mehr aus Höflichkeit denn aus Interesse.
»Dort kann man heute noch den Rost sehen, auf dem der Heilige gemartert wurde. Nach einiger Zeit soll er seinen Peinigern gesagt haben, sie könnten ihn jetzt umdrehen, die eine Seite sei durch …«
»Widerlich!«, empörte sie sich. »Wer will denn so etwas sehen?«
»Tausende von Pilgern kommen extra von weit her …«
»Ich nicht! Bring mich einfach zur Villa meiner Verwandten.« Eine Zeitlang verstummte ihr Führer, dann deutete er zaghaft nach rechts, wo sich auf einem Hügel vielstöckige Bauten erhoben, mit Bogenfenstern, säulengeschmückten Nischen und marmornen Balkonen. »Der Palatin. Hier residierten einst die Kaiser. Jetzt ist es der Sitz des Statthalters.«
Pelagia nickte abwesend, während die Sänfte über eine offene Fläche schaukelte, auf der sich eine Säule mit einer vergoldeten Bronzestatue erhob.
»Und was ist das?«, fragte sie, da ihr der Führer Leid tat.
»Die Phokassäule. Der Papst und das Volk von Rom ließen sie auf dem Forum errichten. Zu Ehren des Kaisers, der vor sechzig Jahren dem Papst das Pantheon schenkte. So wurde aus dem Heidentempel die Marienkirche«, erläuterte der junge Mann mit erneutem Eifer. »Wollt Ihr hören, wie Papst Gregor die Dämonen aus dem alten Gebäude vertrieb?«
»Vielleicht ein anderes Mal«, winkte Pelagia ab. »Wie heißt du überhaupt?«
»Urso. Urso de Albina!«, erklärte der Mann in einem Ton, als müsse dieser Name selbst in den fernsten Winkeln des Erdkreises Ehrfurcht erregen. »Und Ihr, wenn ich fragen darf?«
»Pelagia Gabinia. Ich bin mit einem Schiff des Exarchen aus Africa gekommen.«
»Über das Meer? Dann müsst Ihr unbedingt die Kirche der heiligen Maria von Ägypten besuchen!«, rief Urso aufgeregt aus, während die Sänftenträger einen marmornen Triumphbogen durchschritten. »Gebt Acht, das ist der Titusbogen. Seht Ihr, wie Roms Legionäre die Schätze des jüdischen Tempels wegschleppen?«
Pelagia drehte widerwillig den Kopf und erblickte Steinreliefs behelmter Soldaten, die einen siebenarmigen Leuchter trugen.
»Was hat es mit dieser Ägypterin auf sich?«, fragte sie dann spöttisch. »Ist die auch geröstet worden?«
»Oh nein. Sie wollte von Alexandria mit dem Schiff nach Jerusalem, und da sie kein Geld für die Überfahrt hatte, verkaufte sie ihren Körper an die Schiffsleute.« Urso zuckte mit den Schultern. »Nun ja, darin hatte sie gewiss Übung, denn das war schon zuvor ihr leidenschaftlicher Broterwerb gewesen. Sie hoffte wohl, unter den Pilgern viele Kunden zu finden. Am Ziel verwehrte ihr jedoch eine unsichtbare Hand solange den Zutritt zu den heiligen Stätten, bis sie bereute und Einsiedlerin wurde …«
»Und was hat das mit mir zu tun?«, unterbrach ihn Pelagia barsch.
»Nun, ich dachte, da Ihr doch auch eine Frau seid, die mit dem Schiff aus Africa …«
»Jetzt reicht es aber!«, fuhr ihn Pelagia an. »Merk dir: Ich bin wegen der Stadt hier, nicht wegen irgendwelcher Heiligen. Von den Unterschieden im Lebenswandel ganz zu schweigen.« Sie zeigte unwirsch nach vorne, wo sich ein riesiges, ovales Gebäude erhob. »Das Kolosseum?«
Urso nickte stumm, um dann zaghaft zu fragen. »Wollt Ihr wenigstens hören, was das Volk von Rom darüber sagt?«
»Nur, wenn es ohne schauerliche Todesarten oder Beleidigungen abgeht.«
»Keine Angst, nie mehr wird meinem Mund derartiges entfliehen.« Er machte den Trägern ein Zeichen, kurz anzuhalten, so dass Pelagia in Ruhe die drei Bogenreihen betrachten konnte, die sich in den Himmel zu türmen schienen.
»Solange das Kolosseum steht, wird auch Rom stehen«, deklamierte er feierlich.
»Wenn das Kolosseum fällt, wird auch Rom fallen;
wenn Rom fällt, wird auch die Welt fallen!«
»Soso«, bemerkte die junge Frau und betrachtete verächtlich die Risse, die das Mauerwerk durchzogen. An einer Stelle war eine ganze Bogenreihe
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