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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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»Senator, Besuch ist gekommen!«
    Es verging einige Zeit, bis sich ein hagerer Mann näherte, der an die achtzig Jahre alt sein mochte, doch sich noch immer aufrecht hielt. Er trug das volle, schlohweiße Haar kurz geschnitten; gekleidet war er in eine vielfach geflickte Toga mit Resten eines Purpurstreifens, ein Goldring schimmerte an seiner Rechten.
    »Mit wem habe ich die Ehre?«, erkundigte er sich.
    Pelagia nannte ihren Namen, erzählte von ihrer Familie, dem Grund ihrer Reise und überreichte einen Brief ihres Vaters. Der Mann überflog das Schreiben, dann lächelte er die junge Frau zahnlos an, ließ sich in den Sessel sinken und befahl der Dienerin: »Gratia, ein Zimmer für unsere Besucherin. Sie wird bei uns wohnen.«
    »Was soll ich?« Wieder legte die Dienerin die Hand hinter das Ohr.
    »Gib ihr den größten Raum im Ostflügel!«
    »Herr«, die alte Frau zögerte. »Der Ostflügel war schon lange baufällig. Beim letzten Erdbeben ist er eingestürzt.«
    Petronius legte die Hand an die Stirne und wirkte verstört. »Stimmt, wie konnte ich das nur vergessen … Und die Räume hier im dritten Stock, die mit dem besten Blick über die Stadt?«
    »Der Sturm hat das Dach abgedeckt und die Scheiben zertrümmert. Alles ist voller Schimmel!«
    »Wirklich? Warum sagt mir das niemand?«, murmelte der Mann erschüttert, dann rief er aus: »Wir müssen etwas tun!«
    »Das predige ich Euch jeden Tag! Nur fehlt es am Geld. Wir haben bald nichts mehr zum Verkaufen.«
    »Irgendein Zimmer für unseren Gast wird sich doch finden«, herrschte sie Petronius nun erbost an. »Gib dir halt ein bisschen Mühe!«
    Kopfschüttelnd machte die Alte Pelagia ein Zeichen, ihr zu folgen, und brachte sie zu einem Raum, dessen Türe sich kreischend in den Angeln drehte. Innen tanzten Staubkörner in einem Sonnenstrahl, der durch die Ritze zwischen den geschlossenen Läden fiel. Ein Rascheln in der Ecke ließ Pelagia zusammenzucken, dann nahm sie die Umrisse eines Schrankes, eines Tisches sowie einer Liege wahr, über die eine mottenzerfressene Decke gebreitet war.
    »Widerlich!«, sagte sie mehr zu sich selbst, als ihr der Geruch nach Moder in die Nase stieg.
    »Lieblich, meint Ihr? Schön, dass es Euch gefallt«, erwiderte Gratia, warf ihr einen seltsamen Blick zu und machte sich daran, die Fenster zu öffnen.
    Voll Ekel gewahrte Pelagia die überall herumhängenden Spinnweben, den Mäusekot in den Ecken und die stockfleckigen Wände. Flucht war ihr erster Impuls, doch dann überwand sie sich.
    »Gratia, das muss gründlich gesäubert werden!«, befahl sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Vor allem aber gut lüften!«
    Befriedigt beobachtete sie, wie die alte Frau zusammenzuckte, jedoch rasch verschwand, um missmutig vor sich hin brabbelnd mit Besen, Wassereimer und Lappen zurückzukehren. Pelagia ging zu Petronius, der sich vergebens abmühte, eine Weinamphore zu öffnen. Die junge Frau half ihm und gemeinsam tranken sie einen Schluck.
    »Und du bist meine Nichte Lucilla aus Karthago?«, fragte der Senator schließlich.
    »Nein, das war meine Großtante. Ich heiße Pelagia!«, antwortete sie. »Und Ihr seid Mitglied des römischen Senats?«
    »Ja, ja«, erwiderte der alte Mann stolz. »Wie mein Vater vor mir. Und dessen Vater …«
    »Wisst Ihr schon, dass der Kaiser nach Rom kommt?«
    »Kaiser Herakleios? Wann denn?«
    »Nein, der ist schon über zwei Jahrzehnte tot«, erwiderte Pelagia irritiert. »Sein Enkel, Kaiser Konstans. Er ist bereits in Italien. Der Senat sollte ihn feierlich begrüßen!«
    »Ja, ja, natürlich«, Petronius drehte seinen Goldring. »Das muss er, unbedingt …«
    »Wann und wo trefft ihr euch das nächste Mal?«
    Der alte Mann sah sie hilflos an. »Was meinst du?«
    »Der Senat! Man hat mir erzählt, in dem alten Versammlungssaal sei jetzt eine Kirche.«
    »Selbst in der Curia? Wieso hat man mir das nicht gesagt?« Er fuhr sich fahrig mit der Hand durch die weißen Haare. »Überall Kirchen, niemand braucht so viele Kirchen …«
    Pelagia merkte, wie sie langsam ungeduldig wurde und fragte misstrauisch. »Wann habt Ihr als Senator das letzte Mal an einer Sitzung teilgenommen?«
    »Als Kind«, Petronius wirkte geistesabwesend. »Mein Vater nahm mich mit und sagte, eines Tages würde auch ich zu den weisen Vätern gehören. Doch dann traf Rom viel Unheil. Wer noch Geld gerettet hatte, zog nach Konstantinopel. Der Senat wurde nicht mehr einberufen. Bis heute warte ich …«
    »Und wie alt

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