Sie kamen bis Konstantinopel
herabgestürzt, so dass Haufen riesiger Steinquader die Träger zu einem Umweg zwangen. »Dann sollten wir uns lieber beeilen, um vor dem Weltenende anzukommen. Sind wir hier richtig?«
Sie musterte die Anhöhe vor sich, auf der Pinien und Zypressen zwischen efeuüberwucherten Mauern aufragten.
»Nun, das ist der Caelius-Hügel«, entgegnete Urso zögernd. »Ich werde mich nach der Villa der Anicii erkundigen.«
Während die Sänftenträger ihre Last absetzten, sich den Schweiß aus der Stirne wischten und die Diener sich unter vorwurfsvollem Schweigen in den Schatten der Bäume zurückzogen, lief der junge Mann los. Eine Viertelstunde mochte vergangen sein, als er mit verstörtem Gesichtsausdruck zurückkehrte.
»Man hat mir einen Weg gezeigt, aber ich bin mir nicht sicher …«
»Nun, es kann doch nicht so schwer sein, die Villa zu finden? Die Familie ist im Senat vertreten!«, fuhr ihn Pelagia voller Ungeduld an.
»So etwas gibt es in Rom nicht.«
»Trottel!«, brauste Pelagia wütend auf. »Und das will ein Römer sein!«
»Ich bin aus einem Dorf nördlich der Alpen«, entgegnete Urso gekränkt, »aber ich lebe schon zehn Jahre hier. Mein Geld verdiene ich ehrlich mit dem Führen frommer Pilger.« Er kratzte sich hinter dem Ohr. »Früher, so hat man mir erzählt, soll sich tatsächlich ein Senat in der Curia versammelt haben. Aber – heute ist da drin die Kirche St. Hadrianus. Am Forum, wir sind daran vorbeigekommen. Wenn Ihr sie sehen wollt …?«
Pelagias strenger Blick ließ ihn rasch das Thema wechseln. »Wann habt Ihr denn das letzte Mal von euren Verwandten gehört?«
»Nun, das ist schon eine Weile her«, gab das Mädchen widerwillig zu. »Mein Vater hat mir einen Brief von einem Onkel seines Großvaters aus Rom mitgegeben, der auf das zweite Regierungsjahr des Kaisers Maurikios Tiberius datiert ist.«
Urso runzelte die Stirne. »Aber der müsste an die siebzig Jahre alt sein«, gab er zu bedenken. »Rom hat sich seitdem sehr verändert, sagt man.«
»Aber nicht die Anicii! Die gehören zu den ältesten Familien der Stadt!«, fauchte sie ihn an. »Bring mich zu ihrer Villa oder verschwinde!«
»Wie Ihr befehlt!« Urso gab den Trägern ein Zeichen, die Sänfte einen Weg mit grasüberwucherten Steinplatten emporzutragen, der von alten Pinien beschattet wurde. Am Ende machten sie vor einem dreistöckigen Gebäude halt, dessen Fenster mit Holzläden verschlossen waren. Risse durchzogen die Marmorsäulen des Portals, der Mauerputz war abgebröckelt und der Vorplatz mit zersplitterten Dachziegeln und Piniennadeln übersät.
Urso klopfte gegen die Türe, wartete, hämmerte erneut gegen das verwitterte Holz und wollte sich schon achselzuckend abwenden, als innen schlurfende Schritte zu hören waren. Die Riegel fuhren kreischend zurück, die Türe schwang auf und eine grauhaarige, gebeugte Frau musterte sie misstrauisch.
»Was wollt Ihr?«
»Ich bin Pelagia Gabinia aus Karthago und möchte zu meinen Verwandten, den Anicii.«
»Was?« Die Frau verzog das Gesicht und legte die Hand hinter das rechte Ohr.
Pelagia wiederholte laut, was sie gesagt hatte.
»Nicht mehr viele übrig«, entgegnete die Frau. »Nur der Herr Petronius ist noch da.«
»Dann bring mich zu ihm!«, ordnete Pelagia an, entstieg der Sänfte und winkte den Dienern, das Gepäck in das Haus zu schaffen.
»Darf ich an meinen Lohn erinnern?« Urso wartete mit geöffneter Hand. »Eine heimliche Gabe stillt den Zorn und ein Geschenk im Verborgenen den heftigen Grimm!«
»Was faselst du da?«
»Alles aus den Weisheiten Salomos, Herrin.«
Pelagia drückte ihm einige Münzen in die Hand. »Für dich und die Träger.«
»Oh, vielen Dank. Dafür begleite ich Euch morgen gerne noch einen Tag!«
Das Mädchen zögerte kurz, dann nickte sie. »Nun gut. Du bist ganz unterhaltsam und die anderen sind vielleicht noch aufdringlicher …«
»Und ob sie das sind! Ist Euch die vierte Stunde nach Sonnenaufgang Recht?«
Pelagia nickte und verschwand in der Düsternis des Hauses.
***
Sie folgte der alten Frau einen Korridor entlang bis zu einem von Säulen umstandenen Innenhof. Doch anstatt eines gepflegten kleinen Gartens wucherte Gebüsch aus allen Winkeln, das Wasserbecken in der Mitte war mit Schlamm und alten Piniennadeln gefüllt. Unter dem Dach, neben einer Säule, stand ein bronzener Klappstuhl.
»Senator!«, rief die Frau, und Pelagia bedauerte zutiefst, dass dieser verblödete Fremdenführer das nicht mehr hören konnte.
Weitere Kostenlose Bücher