Sie kamen bis Konstantinopel
Niederlage erlitten. Er konnte nur entkommen, heißt es, weil ein treuer Krieger den Purpur anzog und sich an seiner Stelle von den Feinden abschlachten ließ …«
»Und der will die Langobarden besiegen?«, wunderte sich Pelagia.
Ihr Vater zuckte mit den Schultern und fuhr eindringlich fort. »Nun, mit Gottes Hilfe ist alles möglich. Aber was wichtiger ist: Wenn der Kaiserhof in den Westteil des Reiches verlegt wird, eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. Vor allem für eine schöne, gebildete, junge Frau wie dich, die ebenso gut Latein wie Griechisch spricht. Verstehst du?«
Pelagia spitzte den Mund und nickte bedächtig. »Ich glaube schon. Nur – wie soll ich da hinkommen?«
»Dafür wäre gesorgt. Der Exarch will ein Schiff mit Weizen nach Rom senden, wenn der Kaiser in die Stadt kommt. Er wird eine Abordnung mitschicken; auch einige Bischöfe und Händler wollen die Gelegenheit nutzen und dem Kaiser ihre Anliegen vortragen. Wenn du willst, könnte ich für einen Platz auf dem Schiff sorgen.« Ihr Vater lächelte wehmütig. »Du liebst das Meer und wolltest schon immer eine Seereise machen.« Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. »Und noch etwas. Letzte Nacht hat deine Mutter im Traum gesehen, wie die Ungläubigen Karthago bestürmten. Geh, meine Tochter, bevor das wirklich geschieht. Ein reisender Händler aus Alexandria hat berichtet, dass der Bruderkampf bei den Sarazenen zu Ende sei. Wenn dem so ist, werden sie bald wieder zum Angriff rüsten.«
»Aber was wird aus Mutter und dir?«
»Alte Bäume verpflanzt man nicht«, entgegnete ihr Vater mit traurigem Blick. »Meine Vorfahren, die Gabinii, leben seit fünf Jahrhunderten in der Provinz Africa. Und die Metusans, die Ahnen deiner Mutter, waren vierhundert Jahre bei Leptis Magna ansässig. Wir wollen nicht nochmals flüchten. Vielleicht hat Gott ja auch ein Einsehen.«
»Und wenn nicht, redet man uns wieder ein, er strafe uns für unsere Sünden«, erwiderte Pelagia zornig. »Vor kurzem predigte das sogar ein schmuddeliger irischer Bettelmönch dem Volk auf dem Forum. Ein großartiger Gott ist das, den wir da verehren. Warum hat er das christliche Reich erst den heidnischen Persern, dann den noch schlimmeren Sarazenen ausgeliefert? Wenn er schon Menschen quälen will, warum lässt er seinen Zorn nicht an diesen Horden aus?«
»Nicht so laut, Pelagia, das grenzt an Gotteslästerung. Wenn solche heidnischen Reden dem Bischof zu Ohren kommen …«
»Dann möge er das gefälligst seinem Herrn weitersagen«, erregte sich das Mädchen. »Ich kann nur an einen Gott glauben, bei dem es den Menschen gut geht. Der seine Gläubigen reich macht, mächtig und angesehen!«
»Ja, ja«, beschwichtigte sie ihr Vater und nahm ein Schreibrohr in die Hand. »Möchtest du nun in Rom dein Glück versuchen? Früher einmal hatten wir Verwandte dort, die Familie der Anicii. Wir haben zwar schon lange nichts mehr voneinander gehört, aber vielleicht könntest du anfangs in ihrer Villa wohnen. Sie sind im Senat vertreten und werden dich sicher dem Kaiser vorstellen …«
»Und wenn nicht, finde ich etwas anderes!«, entgegnete Pelagia entschlossen und erhob sich. »Wann geht das Schiff?«
»In zwei Wochen«, antwortete ihr Vater, stand auf und umarmte sie. »Lass uns diese Zeit zusammen genießen. Vielleicht ist es unsere letzte.«
»Ach was«, lachte Pelagia. »Ich gewinne die Gunst des Kaisers Konstans. Dann überrede ich ihn, seine Provinz Africa zu besuchen und euch zu empfangen!«
Sie lief aus dem Haus, winkte ab, als die Sänftenträger sie fragend ansahen, und durchwanderte die Stadt. Nie zuvor hatte sie so aufmerksam das Leben auf den Straßen beobachtet, dem Stimmengewirr der Händler gelauscht, den Duft der Gewürze geschnuppert und die Waren in den Geschäften betrachtet. Gedankenverloren saß sie auf den überwucherten Stufen des Theaters, das nördlich von ihrer Villa lag, und ließ ihren Blick zu dem Byrsa-Hügel hinüberschweifen, dem Zentrum der Stadt. Danach verbrachte sie einige Stunden in den großen Thermen, deren Mittelkuppel von vier gigantischen Säulen getragen wurde. Zuletzt ging sie zum runden Hafen, beobachtete das Treiben der Seeleute, die schlanken Rümpfe der Schiffe und die mit Lederstreifen verstärkten Segel. Auf dem Rückweg erhob sie erneut ihren Blick zum Byrsa-Hügel, an dessen südlichem Rand sich die halbrunden Bastionen des befestigten Mandracium-Klosters erhoben, das vor über einem Jahrhundert der Präfekt Solomon hatte
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