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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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verirrte Spatzen tschilpend herumflatterten.
    Am Kolosseum ragte der Venus- und Roma-Tempel empor, dessen offengelegte Dachsparren verfaulten, seit der Papst mit kaiserlicher Billigung die bronzenen Dachziegel zur Bedeckung der Peterskirche hatte abnehmen lassen. Noch immer krönte der Jupitertempel, verschlossen und von Gebüsch überwuchert, den Kapitolshügel – allein, selbst hier schlichen nachts Diebe herum, um Marmorteile herauszubrechen und sie zu Kalk zu brennen. Zwar floss noch immer Wasser durch einige Aquädukte in die Stadt, doch tropfte und rieselte es aus zahllosen Lecks, unter denen weiße Kalkbärte hingen.
    Weite Bereiche, vor allem im Norden und Osten, schienen gänzlich entvölkert zu sein. In den einstigen Parks der herrschaftlichen Villen wuchsen jetzt Weinstöcke, Obstbäume und Beerensträucher, grasten Kühe und meckerten Ziegen, so dass die Stadtmauer dort eher ein Landgut als das Haupt der westlichen Christenheit zu umschließen schien.
    Doch noch immer traf sich das Volk auf dem Forum Romanum, auch wenn es meist ärmliche Gestalten waren, deren nackte Füße über die Marmorplatten patschten. Zu Füßen der Kaiserbauten fanden Märkte statt, auf denen Töpfe, Amphoren mit Olivenöl aus Africa, Äpfel, Käselaibe und Stoffe feilgeboten wurden; dort traf man sich, schacherte, stritt und lauschte gelegentlich den Predigten frommer Männer. Pilger aus Britannien, Francia und Hispania zogen durch die Stadt, von Führern begleitet, die ihnen Kirchen, Katakomben und vor allem Märtyrergräber anpriesen. Deren Heilkraft, so versicherten sie, könne man durch das Herablassen von Tüchern auf die Sarkophage zum eigenen Nutz und Frommen mit nach Hause nehmen. Dazwischen erschallten die Stimmen der Händler, die Fläschchen wundertätigen Öls hochhielten, das – wie Dokumente versicherten – aus den Lampen der heiligen Stätten stammte. Bettler säumten die Straßenränder und reckten ihre Holzschälchen; Wirte, Huren und Bartscherer warben um Kunden, während vor den Diakoniehäusern Schlangen zerlumpter Armer auf die kirchliche Speisung warteten, denen sie ihr Überleben verdankten.
    Ende Juni, als sie Rom mehrere Tage lang durchstreift hatten, wurde Pelagia immer einsilbiger. Zuletzt unterbrach sie Urso, der ihr gerade die Reliefs der Trajanssäule erklärte.
    »Ich glaube, mir reicht es. Ich habe genug von dieser sterbenden Stadt gesehen.«
    »Aber wir waren noch nicht einmal bei den Thermen des Diokletian, in der Kirche des heiligen Paulus außerhalb der Mauern oder …«
    »… worauf ich verzichten kann. Ich möchte, dass du mich zu etwas ganz Anderem bringst, falls das möglich ist.«
    »Natürlich, zu was denn?«
    »In eine Bibliothek. Ich möchte lesen, was früher gedacht wurde, bevor uns die Kirche den Blick verengte.«
    Urso sah sie erschrocken an. »Die Weisheit der Frauen baut ihr Haus, aber ihre Torheit reißt's nieder mit eigenen Händen«, seufzte er leise.
    »Was murmelst du da?«, fragte sie argwöhnisch.
    »Nichts, nur aus den Weisheiten Salomos«, beschwichtigte der Lockenkopf. »Lasst mich überlegen.« Dann hellte sich sein Gesicht auf. »Hier ganz in der Nähe gibt es eine. Kommt mit!«
    Nach kurzem Suchen machten sie vor einem Gebäude mit hohen Bogenfenstern halt. Viele der quadratischen Scheiben waren zerbrochen, so dass wilde Tauben ein- und ausflogen. Der Eingang war mit Brettern verschlossen, doch ein Teil der Bohlen abgefault, so dass es möglich schien, sich unten hindurchzuzwängen. Pelagias Augen blitzten. »Los, hilf mir, da will ich hinein!«
    Urso schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das klug ist. Die Bibliothek wurde unter Papst Gregor versperrt. Ich würde das nicht tun …«
    »Brauchst du auch nicht. Warte einfach draußen auf mich.«
    »Wie Ihr wünscht«, nickte der Führer ergeben und wandte sich dann in Richtung des nahen Forums. »Ich werde mal hinübergehen. Irgendetwas geht da vor. Vielleicht eine fremde Gesandtschaft.«
    »Gut, aber sei spätestens in einer Stunde zurück.« Sie zeigte auf die Sonnenuhr an der Fassade, brach mit seiner widerwilligen Hilfe einige morsche Bretter ab und zwängte sich durch die Öffnung. Innen umfing sie zuerst Finsternis, doch als sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, konnte sie einen langen Gang ausmachen, von dem seitlich hohe Portale abgingen. Ihre Schritte hallten auf dem Steinfußboden, aufgeschreckte Fledermäuse flatterten Geistern der Unterwelt gleich durch die Gewölbe,

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