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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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hingegen steht es frei, herauszufinden, wo sich der Fischerjunge befindet, um ihn auszulösen.«
    »Dazu bräuchte ich Geld, das ich nicht habe«, entgegnete Pelagia bitter.
    Konstans lachte auf einmal. »Dann wollen wir dir die Möglichkeit geben, es zu verdienen. Sieh her!« Er hielt ein kleines Ledersäckchen hoch und drehte es langsam um. Golden schimmernde Münzen fielen heraus, die klirrend auf der Tischplatte aufprallten. Eine rollte über den Rand, sprang zu Boden und wurde umgehend von einem gebeugt herbeieilenden Diener zurückgelegt. »Unterhalte uns heute Abend, so gehören diese Solidi dir«, meinte der Kaiser jovial. »Tu, was wir verlangen. Bist du dazu bereit?«
    Die junge Frau richtete sich auf. Einen Augenblick stand sie vor der Tafel und ließ ihre Augen über die Gäste wandern. Erneut begegnete ihr Blick dem des schönen jungen Mannes, der Mizizios genannt wurde, und wieder schien er aufmunternd zu lächeln.
    Pelagia gab sich einen Ruck. »Das will ich«, antwortete sie, um noch hinzuzufügen, »sofern es nicht gegen die Regeln der Kirche verstößt!«
    »Bemerkst du Bischöfe hier? Haben wir gar den Papst übersehen?«, erheiterte sich der Kaiser, um dann jedoch ernst hinzuzufügen: »Nun, die Bitte sei dir trotzdem gewährt. Fang an!«
    Die folgenden Stunden sollten Pelagia später nur noch als verschwommener Albtraum im Gedächtnis bleiben. Zu Beginn versuchte sie es mit der Rezitation besonders dramatischer Stellen aus der Ilias und Odyssee, doch blieb der Beifall höflich und verhalten. So begann sie, sizilianische Volkslieder vorzutragen, die sie in den letzten Jahren gelernt hatte. Begleitet von den perlenden Tönen der Kithara, sang sie von unglücklicher Liebe, von Fahrten über das Meer, von Stürmen und fernen Küsten, von Trennung und glücklichem Wiedersehen. Und bald hatte sie die Zuhörer in ihren Bann geschlagen, immer häufiger wurden Weinbecher auf ihr Wohl geleert, unterbrachen Beifallsrufe ihre Lieder. Nur der Kaiser fixierte ungerührt die junge Frau, als sei sie ein schwer einschätzbarer Gegner. Als Pelagia ihr letztes Lied beendet hatte und sich verbeugte, hob er die Hand, worauf der Beifall schlagartig verstummte.
    »Das war ein guter Anfang. So gut, als hättest du dein Leben lang nichts anderes getan. Aber …« Er hielt inne, gespannte Stille erfüllte den Raum. Pelagia versuchte, äußerlich gelassen zu bleiben, während sie sich den Kopf zerbrach, was jetzt kommen könnte. Der Kaiser nahm einen Schluck Wein, bevor er lächelnd fortfuhr.
    »… aber der Abend ist noch nicht zu Ende. Ich bin sicher, dass du uns einen letzten Wunsch nicht abschlagen wirst.«
    »Welchen Wunsch?«, fragte sie zögernd, noch atemlos von der Anstrengung des Singens.
    »Im Nebenzimmer warten Musiker. Meine Gäste würden dich gerne tanzen sehen. Oder ist dem nicht so?« Konstans blickte die Tafel entlang, wo grölende Zustimmung nur zu deutlich zeigte, dass er den Geschmack getroffen hatte.
    Pelagia stand wie vom Donner gerührt. Im flackernden Licht der Öllampen schienen die Gesichter, die sie anstarrten, von Zuckungen verzerrt – fast so, als hätten böse Geister von ihnen Besitz ergriffen. Vor Betrunkenen zu tanzen war etwas für Hafendirnen, bestenfalls für berufsmäßige Tänzerinnen. Für eine Frau aus guter Familie jedoch bedeutete eine solche Zurschaustellung eine Schande. Eine Erniedrigung, den ersten Schritt in die Gosse.
    »Nun, hast du mich nicht verstanden?« Die Stimme des Kaisers klang ruhig. Doch sein Blick glich dem eines Raubtieres, das auf ein Zeichen von Schwäche lauert. »Sollte es dir jedoch die Sprache verschlagen haben«, fuhr er fort und steckte die Goldstücke beiläufig zurück in den Beutel, »so verschwinde und kuriere dein Leiden zu Hause!«
    Ein Gast kicherte, ein anderer rief: »Zier dich nicht so!«, während ein dritter grölte: »Na, etwas Hinternschwenken wird sie wohl noch können!« Bellendes Gelächter zog die Reihe entlang.
    Pelagia spürte Schweißperlen auf der Stirne. Sie war wie ein Tier in der Falle. Der Hass auf den bärtigen Mann nahm ihr fast den Atem. Was auch immer sie tat, es würde sie in den Augen der Gäste bloßstellen. Folgte sie ihrer Erziehung, zeigte sie den Männern ihre Verachtung und lief aus dem Raum, so würde man sie als prüde verlachen. Von da ab könnte sie alle Hoffnung begraben, jemals wieder bei Hofe zu erscheinen. Spielte sie dagegen das Spiel der Grobiane mit, so würde man sie zu den Frauen zählen, auf die

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